höchstes Hinterbliebenengeld für Eltern bei Verkehrsunfall verstorbenen Kindes

08.11.2019 - ​ Landgericht Leipzig - Aktenzeichen 5 O 758/19

Landgericht Leipzig

Urt. v. 08.11.2019, Az.: 05 O 758/19


eigene Zusammenfassung:

Vor dem Landgericht Leizig machen die Eltern eines Kindes 16 Jahre alt, einziges Kind der Eltern, welches bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt ist einerseits Hinterbliebenengeld für sich selbst und andererseits als Erben des verstorbenen Kindes Schmerzensgeld für das Kind geltend.

Das Hinterbliebenengeld ist ein Anspruch aus eigenem Recht der Eltern als nahe Angehörige der verstorbenen Person und soll einen gewissen Ausgleich für die Trauer über den Verlust des Kindes darstellen. Der Tod des Kindes bei dem Unfall erfolgte nicht schmerzfrei, so dass der verunfallten Person ein Schmerzensgeldanspruch zusteht, der auf die Eltern als Erben des Kindes übergegangen ist. Das Kind wurde als Unfallopfer nicht gleich bewusstlos und verstarb nach rund zwei Stunden. Das Gericht hat ein Schmerzensgeld von 7.500,00 € zugesprochen.

Interessant ist, dass das LG Leipzig über den üblichen Rahmen des Hinterbliebenengelds von 10.000,- € weit hinaus geht. Das Gericht hat sowohl dem Vater als auch der Mutter ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 15.000,- € zugesprochen.

Für das den Eltern zugefügte seelische Leid ist gemäß § 844 Abs. 3 BGB, § 10 Abs. 3 StVG, § 7 Abs. 1 StVG, § 115 VVG eine angemessene Entschädigung in Geld i.H.v. jeweils 15.000,00 € zu leisten. Dieser Anspruch steht nahen Angehörigen einer getöteten Person zu, wenn sie keine eigene Gesundheitsbeschädigung i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB und § 253 Abs. 2 BGB erlitten haben, ihr seelisches Leid also nicht über das hinausgeht, was Hinterbliebene angesichts des Todes naher Angehöriger erfahrungsgemäß erleiden.
Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld schließt sich an die Rechtsprechung zum Schockschaden an, woraus sich ergibt, dass das Hinterbliebenengeld die Rechtsprechung zum Schockschaden ergänzen, aber nicht ersetzen soll (Burmann/Jahnke, NZV 2017, 401). Nach der Gesetzesbegründung bemessen die Gerichte den pathologisch nachgewiesenen Schockschaden mit 10.000,00 €, so dass das Hinterbliebenengeld für das nicht pathologisch festgestellte Leid wohl mit einem geringeren Betrag bemessen werden soll. Trotzdem spricht das Gericht unter Einstellung einer Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion und aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls einen Betrag von 15.000,00 € für jeden Elternteil zu. Dabei wurde berücksichtigt, dass die Eltern ihre Tochter durch einen Verkehrsunfall verloren haben, der schuldhaft verursacht wurde. Das Kind der Kläger wurde als Fahrradfahrerin von einem LKW überrollt, eingequetscht, war noch kurze Zeit bei Bewusstsein und erlag schließlich ihren Verletzungen. Die Unfallumstände und die Art des Todes wurde erhöhend berücksichtigt. Das Leid der Eltern wurde dadurch erhöht, dass sie vom Leiden ihrer Tochter wissen. Berücksichtigt ist auch, dass sie ihr einziges Kind war, welches ein wesentlicher Lebensinhalt und Bezugspunkt zu einem sozialen Umfeld war.

Die Tochter der Kläger hat nach dem Unfall ihre Situation zunächst noch bewusst erlebt, verlor dann das Bewusstsein und verstarb zwei Stunden später im Krankenhaus. Die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs ist nicht reduziert, weil es nicht mehr dem Geschädigten, sondern nach dessen Tod seinen Erben zugutekommt (KG, Urt. v. 26.02.1973 - 12 U 1193/72). Es ist daher auch in diesen Fällen so zu bemessen, wie es unter Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles in der Person des Geschädigten entstanden ist. Maßgeblich ist dabei nicht die normale Lebenserwartung des Geschädigten, sondern die tatsächliche Dauer zwischen der Verletzungshandlung und dem Versterben. Nachdem das Unfallopfer erst mehrere Stunden nach der Verletzung verstarb, steht ihr zumindest unter dem Gesichtspunkt der Genugtuungsfunktion ein angemessenes Schmerzensgeld zu. An der Verpflichtung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an den Getöteten und letztendlich seiner Erben ändert sich auch nichts, wenn der Getötete das Bewusstsein nicht wieder erlangt hat (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urt. v. 11.03.1996 - 1 U 52/95 und Oberlandesgericht Stuttgart, Urt. v. 02.05.1994 - 20 U 69/94).


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