Unterhaltsschaden gem. § 844 Abs. 2 BGB

Grundsätzlich ist jeder Mensch seinen Angehörigen zum Unterhalt verpflichtet. Fällt den Hinterbliebenen durch den Tod der Getötete als Unterhaltsverpflichteter weg, so ist derjenige, der den Tod verursacht hat zum Ersatz des Unterhalts verpflichtet. Es ist zwischen Barunterhalt und Betreuungsunterhaltsschaden zu unterscheiden. Hat der Getötete also in irgendeiner Art und Weise zum Unterhalt der Familie beigetragen, so schuldet der Verursacher entsprechenden Ersatz.

Unter Barunterhaltsschaden versteht man den Geldbetrag, mit dem der Verstorbene für den Lebensunterhalt der Hinterbliebenen gesorgt hätte. Je nach Sachlage kann der Barunterhalt auszugleichen sein.

Ist der Schädiger für den Getöteten zum Barunterhalt verpflichtet, so hat er dessen Verpflichtung zu übernehmen und durch Unterhaltszahlung in Geld für die Hinterbliebenen (Ehegatte, Kinder oder auch Eltern) zu sorgen. Beim Betreuungsunterhaltsschaden ist der Ausfall an höchstpersönlicher Arbeit, welchen der Getötete für die Familie und den Haushalt geleistet hat zu ersetzen. Als Synonym wird auch häufig der Begriff „Naturalunterhalt“ verwendet. Die Hinterbliebenen können wählen, ob sie den Betreuungsunterhaltsschaden fiktiv oder konkret ersetzt verlangen möchten. Die Hinterbliebenen können wählen, ob sie konkret oder fiktiven Schadensersatz verlangen möchten. Sie können entweder tatsächlich eine Ersatzkraft anstellen, die die Arbeiten des Verstorbenen übernimmt. Der Schädiger hat dann die konkret durch die Ersatzkraft entstehenden Kosten zu ersetzen. Es können auch Familienmitglieder angestellt werden. Alternativ können die Hinterbliebenen den Wegfall der Arbeitskraft des Verstorbenen durch überobligatorische Arbeit selbst kompensieren und dafür einen entsprechenden Geldbetrag erhalten. Die Kosten einer Ersatzkraft werden dann fiktiv hochgerechnet und um bestimmte Beträge wie Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung etc. vermindert ausbezahlt.

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit man als Hinterbliebener einen Anspruch auf Erstattung von Unterhaltsschaden geltend machen kann?

Für Eilige das Wichtigste vorab in Kürze:

  • Wurde ein Mensch aufgrund der Handlung eines Dritten getötet?
  • Haben Sie von dem Getöteten Unterhalt in Form von Zahlungen in Geld oder Dienstleistungen (Haushaltsführung, Mitarbeit im Haushalt oder Betrieb...) erhalten?
    Tip: Im Rahmen einer intakten Familie geht man davon aus, dass jedes Familienmitglied im Haushalt mitarbeitet und nicht nur der den Haushalt führende Ehegatte sich allein um den Haushalt kümmert...also auch Kinder und der alleinverdienende Ehegatte. Kapitalisiert ergeben derart lebenslange geschuldete Naturalunterhaltsleistungen schnell sechsstellige Beträge.
  • War der Getötete zum Unterhalt kraft Gesetzes verpflichtet?

Wenn Sie die Fragen mit ja beantworten konnten, dann steht Ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit ein Anspruch in Höhe der bisher erhaltenen Geldzahlungen gegen den Verursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherung zu.

Lebten der Getötete als Unterhaltsverpflichteter und der Hinterbliebene als Unterhaltsberechtigter getrennt, so ist der real bezahlte Unterhaltsbetrag anzusetzen. Entweder existiert bereits ein Unterhaltstitel durch ein entsprechendes Gerichtsverfahren oder die Parteien haben sich tatsächlich auf einen Unterhaltszahlbetrag verständigt. Im Rahmen einer intakten Familie ist der Betrag für den Familienunterhalt aus dem Verdienst des Getöteten zu errechnen.

Für Dienstleistungen wie die Haushaltsführung oder die Mitarbeit im Haushalt oder Betrieb, kann entweder der für eine Ersatzkraft aufzuwendende Betrag konkret nach Rechnung oder fiktiv verlangt werden.

Wenn Sie sich unsicher sind, was die Zukunft bringen wird, so empfehlen wir immer, den Schädiger entweder zu einem Verjährungsverzicht aufzufordern oder gerichtlich feststellen zu lassen, dass der Schädiger die Unterhaltspflichten des Getöteten zu übernehmen hat, sofern künftig Unterhalt zu bezahlen wäre, da ansonsten die im Schadensersatzrecht kurze Verjährung eingreift und der Schädiger dann bereits nach wenigen Jahren eine Zahlung verweigern kann. Abgesehen von einer Sicherheit für die Zukunft, kann man sich den ungewissen zukünftigen Schaden auch durch eine Einmalzahlung abgelten lassen. Die Höhe der Abgeltung hängt dabei von einer Reihe von Faktoren und Wahrscheinlichkeiten ab.

Es lohnt sich immer den ganzen Artikel zu lesen.

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1) Normtext

§ 844 Abs. 2 BGB lautet wie folgt:

„Stand der Getötete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem Verhältnis, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so hat der Ersatzpflichtige dem Dritten durch Entrichtung einer Geldrente insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde; die Vorschrift des § 843 Abs. 2 bis 4 BGB findet entsprechende Anwendung. Die Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung gezeugt, aber noch nicht geboren war.“

2) allgemeine Voraussetzungen des § 844 BGB

Voraussetzung für einen Anspruch ist eine vollständige unerlaubte Handlung gegen einen Menschen, dessen Folge der Tod ist. Der Tod muss nicht direkt eintreten, jedoch muss die Verletzungshandlung kausal zum Tod führen. Oftmals liegt zwischen der Verletzungshandlung und dem Tod eine längere Behandlungszeit in der versucht wird das Leben des Verletzten zu retten.

Der Verletzte muss im Zeitpunkt der Verletzungshandlung einen Anspruch dem Grunde nach aus unerlaubter Handlung gegen den Schädiger haben. Unter unerlaubter Handlung werden Ansprüche aus

§ 823 Abs 1 BGB
(vorsätzlich oder fahrlässig Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit)

§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetz
(zumeist Normen des Strafgesetzbuchs, der Straßenverkehrsordnung oder sonstiger Vorschriften für Verhaltensweisen wie ärztliche Behandlungsvorschriften, Sicherungsvorschriften von Baustellen, Gerüsten, Vorschriften zur Maschinenbedienung usw.)

§ 829 BGB
(Ersatzpflicht aus Billigkeitsgründen)

§ 833 BGB
(Haftung des Tierhalters)

§ 836 BGB
(Haftung des Grundstückbesitzers)

§ 839 BGB
(Haftung aus Amtspflichtverletzung eines Beamten)

verstanden.

Außerhalb des BGB wurde eine dem § 844 BGB entsprechende Vorschrift im Produkthaftungsgesetz, dem Haftpflichtgesetz, dem Straßenverkehrsgesetz (StVG), dem Luftverkehrsgesetz sowie dem Atomgesetz integriert.

Während Ansprüche aus unerlaubter Handlung gem. § 823 ff BGB immer ein Verschulden des Schädigers voraussetzen, haftet bei Verkehrsunfällen der Halter eines Fahrzeugs gem. § 7 StVG verschuldensunabhängig. Dies gilt auch für die Haftpflichtversicherung des schädigenden Fahrzeugs gem. § 115 VVG. Besonders wichtig ist hier § 10 ff StVG, da die Ersatzpflicht verschuldensunabhängig stattfindet.

3) Tötung

Der Tod des Verletzten muss als zurechenbare Folge der Handlung durch den Dritten eingetreten sein. Die Handlung muss kausal zum Tod geführt haben. Die Kausalität kann mit zunehmendem zeitlichem Abstand zwar immer zweifelhafter werden, jedoch helfen den Anspruchsberechtigten hier die Beweislastregelungen der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Vollbeweis gem. § 286 ZPO muss lediglich soweit geführt werden, dass ein Zusammenhang zwischen Verletzungshandlung und Körperverletzung bewiesen wird. Für die Ursächlichkeit zwischen der Verletzungshandlung welche zu einer Körperverletzung und letztendlich dem Tod geführt hat, ist die Beweiserleichterung des § 287 ZPO anzuwenden (Bundesgerichtshof BGH, Urt. v. 22.09.1992, Az.: VI ZR 293/91) . Es ist gerade nicht mehr der Vollbeweis erforderlich, sondern es reicht bereits die Überzeugung des Richters, was eine deutlich geringere Hürde ist. Die "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" des § 286 ZPO wird von einer höheren Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) abgelöst.

Das Verschulden des Schädigers muss sich dabei nicht auf den Tod beziehen (BT-Drs 18/11397 S. 13). Es ist daher vollkommen unerheblich, ob der Tod vorhersehbar oder auf völlig atypischen Geschehensabläufen beruht. So genügt beispielsweise der Selbstmord des nahestehenden Menschen, sofern dieser seine Ursache in der Verletzung hat (Opfer von Gewaltverbrechen oder Unfällen).

Es muss tatsächlich der Tod des Verletzten eingetreten sein. Schwerste Verletzungen, der Hirntod als solcher genügen nicht (BT-Drs 18/11397 S. 9).

4) Ersatzberechtigte gem. § 844 Abs. 2 BGB

a) Unterhaltsanspruch kraft Gesetzes

Ersatzberechtigt ist, wem der Getötete kraft Gesetzes zur Unterhaltszahlung oder Unterhaltsleistung in Natura durch Dienstleistungen verpflichtet wäre. Vertraglich begründete Unterhaltspflichten und Unterhaltsleistungen genügen nicht (Bundesgerichtshof BGH, Urt. v. 21.11.2000, Az.: VI ZR 231/99).

Ob eine Verhältnis (Ehe, Verwandtschaft, Kind-Elternverhältnis, Lebenspartnerschaft gem. LpartG etc.) welches eine solche Unterhaltspflicht begründet besteht richtet sich nach den einschlägigen Normen des BGB. Danach bestimmt sich auch, wer unterhaltsberechtigt und unterhaltsverpflichtet ist.

In Betracht kommen grundsätzlich folgende Konstellationen:

  • Verpflichtung des Ehegatten zum Familienunterhalt während intakter Ehe gem. §§ 1360 ff BGB
  • Verpflichtung des geschiedenen Ehegatten zum nachehelichen Unterhalt nach der Scheidung gem. §§ 1569 ff BGB
  • Verpflichtung von Mutter und Vater zum Kindesunterhalt gem. §§ 1601 ff BGB
  • Verpflichtung der Kinder zum Elternunterhalt gem. §§ 1601 ff BGB
  • Verpflichtung zum Unterhalt bei Adoption gem. §§ 1754 f BGB
  • Verpflichtung gleichgeschlechtlicher Lebenspartner zum Unterhalt während intakter Partnerschaft gem. § 5 LPartG
  • Verpflichtung gleichgeschlechtlicher Lebenspartner zum nachpartnerschaftlichen Unterhalt nach Aufhebung der Partnerschaft gem. § 16 LPartG
  • problematisch: weiter kein Unterhaltsanspruch für nichtehelichen Lebensgefährten aber für faktischen Lebenspartner im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (vgl. BGH, Urt. v. 09.03.2016, Az.: XII ZB 693/14)

b) Zeitpunkt

Zum Zeitpunkt der Verletzung muss das die Unterhaltspflicht begründende Verhältnis bestanden haben. Es muss nicht erst zum Zeitpunkt des Todes bestanden haben. So steht beispielsweise einem Ehepartner, der den Verletzten erst nach der Verletzung geheiratet hat kein Unterhaltserstattungsanspruch gem. § 844 Abs. 2 BGB zu. Selbiges gilt für denjenigen, der zum Zeitpunkt der Verletzung mit dem damals Verletzten nur verlobt war.

Zum Zeitpunkt der Verletzung muss aber noch kein Unterhalt geschuldet worden sein. Es genügt, wenn die Unterhaltspflicht erst später eingetreten ist.

Ebenso ist das zum Zeitpunkt der Verletzung bereits erzeugte aber noch nicht gezeugte Kind ersatzberechtigt gem. § 844 Abs. 2 S. 2 BGB, wohingegen das erst nach der Verletzung gezeugte Kind keinen Anspruch auf Unterhalt gegen den Schädiger hat. Für den Zeitpunkt der Zeugung muss der Anspruchsberechtigte den Vollbeweis gem. § 286 ZPO erbringen, wobei die Vermutung des § 1592 BGB nicht eingreift.

5) Höhe des Anspruchs

Um einen Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB zu haben, muss ein Recht auf Unterhalt bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn ohne das Schadensereignis kraft Gesetzes ein Anspruch auf Unterhalt gegen den Getöteten bestehen würde. Ob und in welcher Höhe das der Fall ist richtet sich nach den einschlägigen familienrechtlichen Vorschriften.

Hierzu ist es in der Regel von Vorteil, wenn durch Hinzuziehung eines spezialisierten Fachanwalts für Familienrecht der Unterhaltsanspruch geprüft und der Höhe nach festgestellt wird. Mit Frau Rechtsanwältin Wieland, die Fachanwältin für Familienrecht ist, kann ich im Rahmen unserer Mandate auf eine derartige Spezialistin zurückgreifen.

Kurz zusammengefasst:

Der Unterhalt kann entweder als Barunterhalt (Zahlung von Geld) oder Naturalunterhalt (Sach- oder Dienstleistung wie Haushaltsführung, Betreuung etc.) erbracht werden. Die gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung nach § 844 Abs. 2 BGB geht nur so weit, wie eine gesetzliche Zahlungsverpflichtung bestanden hat. Hat der Getötete darüber hinaus freiwillig weitere Zahlungen und Leistungen erbracht, so ist der Schädiger nicht verpflichtet diese im gleichen Umfang aufrecht zu erhalten.

Voraussetzung eines Unterhaltsanspruchs ist eine Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers (vgl. §§ 1569, 1609 BGB). Diese Bedürftigkeit muss noch nicht im Zeitpunkt der Schädigung vorgelegen haben. Oft kommt die Bedürftigkeit erst nach Wegfall der eigenen Erwerbsfähigkeit bei Witwen oder Witwern zum Tragen oder der Lebensbedarf kann aus der eigenen Rente im Alter nicht mehr gedeckt werden. In diesem Fall ist es aber häufig bereits zu spät, da die Ansprüche gegen den Schädiger bereits verjährt sind. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig frühzeitig vorzubeugen und entweder den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung zu einem Verjährungsverzicht zu bewegen oder Feststellungsklage zu erheben. Wenn man Ihnen also erzählen will, dass keine Ansprüche bestehen, so mag dies im Moment richtig sein, die Zukunft sicher zu prognostizieren vermag jedoch niemand. Es gilt sofort zu handeln, da sonst die Ansprüche verloren gehen.

Der Unterhaltsanspruch muss durch den Tod entzogen worden sein. Eine analoge Anwendung aufgrund schwerer und schwerster Verletzungen wird abgelehnt. Insoweit greifen ggf. andere Anspruchsgrundlagen.

§ 844 Abs. 2 BGB ist ausschließlich für zukünftige Unterhaltszahlungen anwendbar. Nicht auf Unterhaltsrückstände. Es ist taktisch sogar äußerst unklug Unterhaltsrückstände zu erwähnen, da der Geschädigte (der Unterhaltsgläubiger) durch den Tod des Unterhaltsverpflichteten nicht besser gestellt sein soll, als er stünde, wenn der Getötete noch am Leben wäre. Ist der verstorbene Unterhaltsschuldner nicht in der Lage gewesen seinen Verpflichtungen zum Unterhalt nachzukommen, wäre er also pfändungsfrei oder wurde er bereits erfolglos gepfändet, so ist auch der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung nicht zur Zahlung verpflichtet. Der Unterhaltsverpflichtete muss also auch leistungsfähig sein. Nur soweit eine Leistungsfähigkeit besteht, geht auch die Ersatzpflicht.

6) Zahlung einer Geldrente an den Hinterbliebenen

Höhe und Dauer der zu bezahlenden Unterhaltsansprüche richten sich wieder nach den oben genannten familienrechtlichen Vorschriften. Geschuldet wird der sog. "fiktive Unterhalt". Man prognostiziert, welchen Unterhalt der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens voraussichtlich hätte bezahlen müssen.

Sollte den Getöteten ein Mitverschulden treffen, so bei Unfällen oder mangelnder Kommunikation mit dem Arzt in Arzthaftungsfällen, so ist auch der Unterhaltsanspruch entsprechend zu kürzen.

Auch mit dem Schadensereignis einhergehende Vorteile sind in Abzug zu bringen. Bei der Vorteilsanrechnung sind beispielsweise Rentenzahlungen zu berücksichtigen.

Sollten sich die maßgeblichen Faktoren später ändern, so ist dies im Rahmen einer Abänderungsklage geltend zu machen, sofern sich die Parteien nicht außergerichtlich einigen können. Oftmals wird der Anspruch auch abgefunden. Hierzu bedarf es aber der Zustimmung beider Parteien. Gesetzlich vorgesehen ist die Kapitalabfindung nicht. Ein Anspruch auf einmalige Abfindungszahlung besteht nur aus wichtigem Grund.

Grundsätzlich ist Barunterhalt vom Schädiger zu bezahlen, soweit der Getötete barunterhaltspflichtig war oder werden würde.

War der Getötete gem. §§ 1360, 1606 Abs. 3 S. 2 BGB zum Naturalunterhalt verpflichtet, so sind die entgangenen Leistungen in Geld zu entschädigen. Unter dem Begriff des Haushaltsführungsschadens ist sowohl die Führung des Haushalts als auch die Mitarbeit im Haushalt ersatzpflichtig. Man geht grundsätzlich davon aus, dass alle Mitglieder des Haushalts auch im Haushalt mitarbeiten. Dies gilt für Kinder genauso wie für den erwerbstätigen Ehegatten, selbst wenn der Ehegatte der Alleinverdiener ist. Es ist natürlich insoweit auf die Gepflogenheiten in der jeweiligen Familie abzustellen, aber den Müll hat schon jeder mal rausgetragen, so dass keine Mitarbeit eigentlich nicht vorkommt.

Im Rahmen des Naturalunterhalts und der Haushaltsführung kommt es auf die Qualität der geleisteten Dienste nicht an. Es ist einzig und allein auf den Zeitaufwand abzustellen. Lediglich wenn der Getötete über besondere Qualifikationen verfügt hat und beispielsweise Hauswirtschaftsmeisterin war, ist dies zu berücksichtigen. Es ist nicht die geleistete Zeit, sondern die konkret erforderliche Zeit für die Bewältigung des Haushalts zu entschädigen. Zu ersetzen ist die Nettovergütung einer Ersatzkraft, sofern keine tatsächliche Ersatzkraft eingestellt wird. Die Stunde wird dann momentan mit 8,50 € - 12,00 € entschädigt. Sozialversicherungsabgaben des Arbeitgebers und sonstige Aufwendungen werden bei fiktiver Abrechnung des Haushaltsführungsschaden nicht berücksichtigt. Sofern eine tatsächliche Ersatzkraft eingestellt wird, sind die Kosten dieser Ersatzkraft zu ersetzen.

7) Dauer der Rentenzahlung

Die Rente kann nur so lange beansprucht werden, so lange der Unterhaltsverpflichtete mutmaßlich ohne das schädigende Ereignis am Leben gewesen, zum Unterhalt verpflichtet und zur Zahlung fähig gewesen wäre.

Die mutmaßliche Lebensdauer ist zu schätzen. Es gibt sog. "Sterbetafeln" des statistischen Bundesamtes, aus denen sich die noch zu erwartende Restlebensdauer eines Menschen ablesen lässt. Hierbei handelt es sich jedoch um Durchschnittswerte. Es ist so weit wie möglich aber wieder der individuelle Einzelfall zu berücksichtigen. Es ist neben dem Gesundheitszustand des Getöteten auch dessen Veranlagung, Konstitution, Lebensgewohnheiten und Beruf mit einzubeziehen. Hat der Getötete ein gesundes Leben geführt oder wurden in seiner Familie alle sehr alt, so ist dies entsprechend zu berücksichtigen.

Behauptet der Schädiger eine überholende Kausalität, also dass der Getötete schneller gestorben wäre, als statistisch zu erwarten gewesen wäre oder der Getötete früher berufsunfähig geworden wäre, so hat er dies zu beweisen.

Freiberufler und Firmeninhaber werden selten mit Eintritt in das Rentenalter tatsächlich in Rente gehen. In derartigen Fällen wird mit entsprechendem Vortrag lange über den Eintritt in das Rentenalter hinaus von einer Erwerbstätigkeit auszugehen sein.

Weiter ist regelmäßig davon auszugehen, dass Menschen nicht ihr ganzes Leben lang auf der gleichen Gehaltsstufe verbringen werden. Es ist davon auszugehen, dass Gehaltserhöhungen und Beförderungen kommen werden.

Zu berücksichtigen ist, dass bei Wiederverheiratung des Hinterbliebenen die Ansprüche aus § 844 Abs. 2 BGB entfallen.

8) Besonderheiten Kindesunterhalt

Es ist eine Staffelung des Unterhalts nach dem jeweiligen Alter des Kindes geboten. Je älter Kinder werden, umso höher ist ihr Unterhaltsbedarf. Das Maß des zu ersetzenden Unterhalts bestimmt sich danach, welchen Betrag seines Einkommens der Getötete hätte aufwenden müssen, um dem Kind den Lebensunterhalt zu bezahlen, der nach der Lebensstellung der Eltern angemessen ist.

Werden beide Eltern gleichzeitig getötet, so ist eine Ermittlung des Unterhalts getrennt nach beiden Eltern vorzunehmen.

9) Verjährung

Der Tod als weitere Schadensfolge ist zunächst noch ungewiss, somit beginnt die Verjährung des Anspruches aus § 844 BGB erst mit dem Tod zu laufen.

Es gilt die regelmäßige Verjährungsfrist des § 199 BGB, welche mit Kenntnis, aber auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis, des Unterhaltsgeschädigten von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners beginnt. Entstanden ist der Anspruch der Hinterbliebenen aus § 844 BGB zwar bereits mit dem Unfall, in Fällen der Fahrerflucht oder langer Heilbehandlung vor dem Tod kann sich der Beginn der Verjährung aber Jahre hinziehen. Weil der Tod als weitere Schadensfolge zunächst noch ungewiss ist, kann die Verjährung des Anspruches bei Auseinanderfallen von Unfall und Tod erst mit dem Tod zu laufen beginnen. Dies bedeutet, dass der Anspruch grundsätzlich innerhalb von drei Jahren nach Versterben des nahen Angehörigen geltend zu machen ist. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ende des Jahres in dem der Angehörige verstorben ist.

10) Feststellungsantrag des Rechts auf Unterhalt durch Tötung des Unterhaltsverpflichteten

Die Feststellung dieser schadensersatzrechtlichen Unterhaltsverpflichtung ist schon, aber auch nur dann gerechtfertigt, wenn nach der Erfahrung des Lebens und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die spätere Verwirklichung des Unterhaltsanspruches nicht ausgeschlossen erscheint, vielmehr mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist (BGHZ Urteil v. 03.12.1951 Az. III ZR 119/51). An die Beweiswürdigung ist dabei kein strenger Maßstab anzulegen; zu berücksichtigen sind das Alter des Verpflichteten, dessen Gesundheit und geistige Befähigung, seine Schul- und Berufsausbildung, die Arbeitswilligkeit und die Erwerbsmöglichkeiten (BGH aaO). Abzustellen ist für die Wahrscheinlichkeit der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.

Der Bundesgerichtshof ging in dem damals entschiedenen Fall davon aus, dass der unterhaltsverpflichtete Sohn, welcher als Hausmann keiner Erwerbstätigkeit nachging wohl wieder in das Berufsleben eingestiegen wäre und seiner Mutter Elternunterhalt bezahlt hätte, obwohl keinerlei Vortrag dahingehend stattgefunden hat. Die Schwelle der Begründetheit für einen entsprechenden Antrag hängt also sehr niedrig.