Verjährungsbeginn bei ärztlichen Behandlungsfehlern und Zurechnung der Kenntnis im Verhältnis von Eltern und Kindern sowie deren

26.07.2017 - Oberlandesgericht Köln - Aktenzeichen 5 U 117/16

Oberlandesgericht Köln

Urt. v. 26.07.2017, Az.: 5 U 117/16


Gehört zu:

LG Bonn, 07.09.2016 - 9 O 381/15

BGH, 27.03.2018 - VI ZR 322/17

eigene Zusammenfassung

Im vorliegenden Urteil setzt sich das Gericht mit der Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen ärztlicher Behandlungsfehler auseinander und klärt, wann die Verjährung beginnt. Nach der Ansicht des Gerichts in seinem Urteil beginnt die Verjährung noch nicht zu laufen, sofern dem Patienten oder dem Hinterbliebenen als Anspruchsteller lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt sind. Es muss zusätzlich der Schluss auf einen ärztlichen Behandlungsfehler möglich sein. Hierzu muss er nach diesem Urteil die wesentlichen Umstände des Behandlungsverlaufs und Tatsachen kennen, aus denen sich für einen medizinischen Laien ergibt, dass der behandelnde Arzt von sonst üblichen medizinischen Standarts bei der Behandlung abgewichen ist. Hierfür ist allerdings nicht immer ein Sachverständigengutachten erforderlich. Es reicht, wenn die Hinterbliebene als Ehefrau von dem Vortrag der Tochter des Verstorbenen in einem Prozess wegen Behandlungsfehlers weiß.


Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 7.9.2016 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 9 O 381/15 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das vorliegende Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Ehemann der Klägerin (im Folgenden auch: Patient), der von Beruf Facharzt für Urologie war, ließ sich am 26.8.2005 wegen eines Nierentumors im Krankenhaus der Beklagten zu 2) von Prof. Dr. X die rechte Niere entfernen. Die entnommenen Lymphknoten waren metastasenfrei.

Am 9.6.2006 stürzte der Patient zu Hause auf einer Wendeltreppe. Im Krankenhaus der Beklagten zu 2) wurde nach der Anfertigung von Röntgenaufnahmen die Diagnose einer suprakondylären Oberschenkelfraktur rechts gestellt. Der Beklagte zu 1) führte noch am gleichen Tag eine plattenosteosynthetische Versorgung des Bruchs mittels einer 9-Loch-Platte durch. Am 16.6.2006 wurde der Patient entlassen. Die Behandlungsunterlagen der unfallchirurgischen Klinik enthalten keinen Hinweis auf das Nierenzellkarzinom und die Entfernung der rechten Niere.

Am 18.7.2006, 31.8.2006 und 27.9.2006 erfolgten Kontrolluntersuchungen. Die am 27.9.2006 gefertigte Röntgenaufnahme zeigte einen unvollständigen knöchernen Durchbau. Im September 2006 schlossen die Klägerin und der Patient eine Trennungsvereinbarung, durch die sich der Patient zur Zahlung eines Trennungsunterhalts von monatlich 2.500,00 Euro und weiteren Leistungen verpflichtete. Das Gehalt aus der Beschäftigung der Klägerin in der Praxis des Patienten blieb hiervon unberührt.

Am 14.2.2007 stellte sich der Patient wieder beim Beklagten zu 1) vor. Zu diesem Zeitpunkt bestand eine deutliche Schwellung des Weichteilgewebes des rechten Oberschenkels. Der Beklagte zu 1) äußerte den Verdacht einer Metastase des Nierenzellkarzinoms. Nachdem der Patient am 20.2.2007 ein Ganzkörper-PET/CT hatte anfertigen lassen, suchte er am 22.2.2007 die Sprechstunde der Klinik für Allgemeine Orthopädie des Universitätsklinikums auf, wo Prof. Dr. X2 nach einer Probeentnahme, die den Verdacht einer Nierenzellmetastase bestätigte, während des stationären Aufenthalts des Patienten vom 14.3.2007 bis 23.3.2007 am 5.3.2007 eine weite Tumorresektion und die Implantation einer speziellen Tumor-Prothese im rechten Oberschenkel vornahm. Im August 2008 wurden Metastasen in der Lunge festgestellt. Am 14.9.2008 wurde der Patient im reduzierten Allgemeinzustand mit Flankenschmerzen links im Krankenhaus der Beklagten zu 2) aufgenommen, wo er am 15.9.2008 bei pulmonaler Metastase an Multiorganversagen, unter anderem der linken Niere, verstarb.

Die beiden Töchter der Klägerin und des Patienten haben mit anwaltlichem Schreiben vom 11.7.2011 Ersatzansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung der Beklagten geltend gemacht. Mit der Klageschrift vom 8.8.2011 haben sie die Beklagten aus ererbtem Recht des Patienten auf Schmerzensgeld und auf Feststellung der Ersatzpflicht in Anspruch genommen (9 O 271/11 LG Bonn). Sie haben ihnen vorgeworfen, die erforderlichen präoperativen Untersuchungen, insbesondere eine Tumorsuche, unterlassen zu haben. Tatsächlich habe es sich bei dem Bruch um eine pathologische Fraktur infolge einer Metastase des Nierenzellkarzinoms gehandelt. Die Operation vom 9.6.2006 sei in der durchgeführten Form nicht indiziert gewesen. Auch postoperativ hätten die Beklagten abklären müssen, ob ein Tumor vorgelegen habe.

Die Beklagten haben in der Klagerwiderung vom 31.10.2011 einen Behandlungsfehler in Abrede gestellt. Der Beklagte zu 1) habe erst, als Prof. Dr. X den Patienten während des stationären Aufenthalts besucht habe, von der Karzinombehandlung erfahren. Auf die Vorgeschichte angesprochen habe der Patient an diesem Tag jede Diskussion abgeblockt. Am 27.9.2006 habe er eine lokale Metastase als Ursache für die mangelnde Heilung nicht akzeptiert und als unrealistisch ausgeschlossen, weshalb eine weiterführende Diagnostik nicht in Betracht gekommen sei.

Das Landgericht hat das unfallchirurgischorthopädische Gutachten von Dr. Y vom 13.7.2012 eingeholt und den Sachverständigen angehört. Daraufhin hat es die Klage abgewiesen. Zwar sei eine weitergehende Diagnostik in Gestalt einer Probeexzision oder Computertomografie erforderlich gewesen, als der Beklagte zu 1) von Prof. Dr. X von der Karzinombehandlung des Patienten erfahren habe. Eine relevante Lebensverlängerung sei aber auch bei einem frühzeitigen Revisionseingriff nicht anzunehmen.

Mit ihrer Berufung haben die Töchter der Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt (5 U 22/13 OLG Köln). Der Senat hat darauf hingewiesen, dass der vom Landgericht festgestellte Behandlungsfehler als zur Beweislastumkehr führender Befunderhebungsfehler zu werten sei, hat ein onkologisches Gutachten von Prof. Dr. I eingeholt und den Sachverständigen angehört. Daraufhin haben sich die Parteien des Vorprozesses unter dem 22.12.2014 dahin verglichen, dass die Beklagten 160.000,00 Euro zum Ausgleich der immateriellen Ansprüche und der Unterhaltsansprüche der Töchter der Klägerin zahlen. Die Klägerin verfügte während des Vorprozesses über denselben Kenntnisstand wie ihre Töchter und nahm an den mündlichen Verhandlungen teil.

Mit ihrer am 24.9.2015 eingegangenen und am 16.10.2015 zugestellten Klage hat sie die Beklagten auf Ersatz ihres Unterhaltsschadens für die Zeit ab dem 1.10.2008 in Anspruch genommen, den sie auf 1.670,00 Euro monatlich berechnet. Zur Darlegung der den Beklagten angelasteten Behandlungsfehler hat sie sich auf den Vortrag ihrer Töchter in dem vorangegangenen Rechtsstreit bezogen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie für den Zeitraum vom 1.10.2008 bis zum 30.9.2015 Schadensersatz durch Unterhalt gemäß § 844 Abs. 2 BGB in Höhe von 140.280,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, beginnend mit dem 1.10.2015 ihr Unterhalt als Schadensersatz durch Entrichtung einer Geldrente in Höhe von 1.670,00 Euro monatlich zu leisten wegen der fehlerhaften Behandlung ihres Ehemannes im Evangelischen X2 C betreffend den Zeitraum ab dem 9.6.2006, zahlbar im Voraus bis zum 3. eines jeden Kalendermonats und der Abänderungsmöglichkeit des § 323 ZPO unterliegend,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie hinsichtlich der Verpflichtung der Zahlung außergerichtlich entstandener Gebühren und Auslagen ihres Verfahrensbevollmächtigten in Höhe von 5.759,01 Euro freizustellen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Einrede der Verjährung erhoben und sind den erhobenen Vorwürfen wie im Vorprozess entgegen getreten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der geltend gemachte Ersatzanspruch sei verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist habe mit dem Schluss des Jahres 2011 begonnen und sei durch die Erhebung der Klage im Jahr 2015 nicht mehr rechtzeitig gehemmt worden. Die Klägerin habe im Jahr 2011 Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen gehabt.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt. Die Kenntnis einer Abweichung vom ärztlichen Standard liege grundsätzlich erst vor, wenn ein Sachverständigengutachten dem Patienten oder Anspruchsteller Klarheit gebracht habe. Auch ihre Töchter hätten, wie aus der unter dem 4.7.2011 unterzeichneten Vollmacht und dem anwaltlichen Schreiben vom 11.7.2011 hervorgehe, lediglich den Verdacht und die Vermutung gehabt, dass bei der Behandlung des Patienten ein Fehler unterlaufen sei. Im Vorprozess habe sogar der Sachverständige Dr. Y einen Behandlungsfehler zunächst verneint.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Ein der Klägerin gemäß § 844 Abs. 2 BGB zustehender Anspruch auf Ersatz des ihr durch den Tod des Patienten entstandenen Unterhaltsschadens ist verjährt.

1. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die regelmäßige Verjährung von drei Jahren (§ 195 BGB) mit dem Ablauf des Jahres 2011 begonnen hat und durch die Erhebung der Klage im Herbst 2015 nicht mehr rechtzeitig gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt wurde. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstandenen ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB).

a) Hinsichtlich ärztlicher Behandlungsfehler kann die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners nicht schon dann bejaht werden, wenn dem Patienten oder dem Anspruchsteller lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist. Er muss vielmehr auch auf einen ärztlichen Behandlungsfehler als Ursache dieses Misserfolges schließen können. Dazu muss er nicht nur die wesentlichen Umstände des Behandlungsverlaufs kennen, sondern auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn als medizinischer Laien ergibt, dass der behandelnde Arzt von dem üblichen medizinischen Vorgehen abgewichen ist oder Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich waren. Diese Kenntnis ist erst vorhanden, wenn die dem Anspruchsteller bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners und auf die Ursache dieses Verhaltens für den Schaden als naheliegend erscheinen zu lassen (BGH, Urteil vom 8.11.2016 - VI ZR 594/15, iuris Rdn. 13 m.w.Nachw., abgedruckt in VersR 2017, 165 ff.). Keine Bedeutung hat in diesem Zusammenhang, entgegen der im Schriftsatz vom 25.07.2017 geäußerten Auffassung, dass der beklagte Arzt einen Behandlungsfehler bestreitet.

Entgegen der Ansicht der Klägerin kann sich die Kenntnis einer Abweichung vom ärztlichen Standard nicht nur aus einem Sachverständigengutachten ergeben. Vielmehr sind nach den vorstehend wieder gegebenen Grundsätzen alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Ein Gutachten kann danach für die Vermittlung der Kenntnis erforderlich sein. Diese kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben.

b) Wie die Klägerin nicht in Abrede stellt, war ihr der Inhalt des Verfahrens, welches ihre Töchter gegen die Beklagten geführt haben, bekannt. Auch wenn in der Vollmacht vom 4.7.2011 und im vorgerichtlichen Schreiben vom 11.7.2011 ausdrücklich nur vom Verdacht oder der Vermutung eines Behandlungsfehlers die Rede ist, hat das Verfahren der Töchter gemessen an den vorstehend wieder gegebenen rechtlichen Maßstäben zur Kenntnis der Klägerin von anspruchsbegründenden Umständen geführt.

aa) Dies gilt zunächst für den den Beklagten angelasteten Behandlungsfehler. Vor allem in der Klageschrift vom 8.8.2011, aber auch in dem vorgerichtlichen Schreiben vom 11.7.2011 ist durch den Bevollmächtigten der Töchter der Klägerin ausgeführt worden, dass ein Nierzenzellkarzinom, wie es dem Patienten am 26.8.2005 im Krankenhaus der Beklagten zu 2) entfernt worden war, zu Knochenmetastasen führen kann, so dass es bei Kenntnis der Vorgeschichte nach einem Sturz und einer Fraktur einer Abklärung und Suche nach einem Tumor sowie gegebenenfalls einer anderen operativen Versorgung bedarf. Dies reichte aus, um für die Klägerin den Schluss auf ein Fehlverhalten der Beklagten nahe liegend erscheinen zu lassen. Die Ausführungen stammten von einem Fachanwalt für Medizinrecht, bei dem medizinisches Grundwissen vorausgesetzt werden kann und muss. Sie waren für einen medizinischen Laien plausibel, weil der Sturz, wenn sich wegen des Nierenzellkarzinoms eine Knochenmetastase abgesiedelt haben konnte, nicht nur auf Unachtsamkeit, sondern auch auf den Auswirkungen einer Metastase beruhen konnte. Eine Metastase und ein Andauern der Erkrankung waren erkennbar bedrohlich, so dass der behandelnde Arzt auch aus der Sicht eines medizinischen Laien diagnostische und bei positivem Befund therapeutische Maßnahmen ergreifen musste. Der Schluss auf ein Fehlverhalten war noch im Jahr 2011 umso mehr geboten, als die Beklagten den in der Klageschrift niedergelegten Standard in der Klageerwiderung vom 31.10.2011 als solches nicht in Abrede gestellt haben, sondern für den Operationszeitpunkt eine Kenntnis der behandelnden Unfallchirurgen von der Vorgeschichte und dem Nierenzellkarzinom bestritten und für die Zeit ab dem Besuch von Prof. Dr. X bei dem Patienten und der Information des Beklagten zu 1) über das Nierenzellkarzinom eine Ablehnung weiter führender Diagnostik durch den Patienten behauptet haben.

Daraus, dass der im Vorprozess tätige Sachverständige Dr. Y in seinem schriftlichen Gutachten zunächst für die Zeit des stationären Aufenthalts vom 9.6.2006 bis 16.6.2006 einen Behandlungsfehler verneint hat, ergibt sich für die Kenntnis der Klägerin von einer Abweichung vom ärztlichen Standard nichts anderes. Denn er hat in Übereinstimmung mit dem Vortrag in der Klageschrift ausgeführt, dass es bei Kenntnis des Nierenzellkarzinoms die übliche Vorgehensweise gewesen wäre, eine Probeexzision zur pathologischen Untersuchung vorzunehmen (vgl. S. 9 des Gutachtens, Bl. 80 der Beiakte). Lediglich die Kenntnis der behandelnden Unfallchirurgen von dem Nierenzellkarzinom ist von Dr. Y verneint worden, wobei er den Vortrag der Beklagten zu dem Besuch von Prof. Dr. X während des stationären Aufenthalts bei dem Patienten und zu der Information des Beklagten zu 1) über das Nierenzellkarzinom übersehen hat. Auf den entsprechenden Vorhalt des Landgerichts hat Prof. Dr. Y seine Beurteilung ergänzt und schlüssig die Notwendigkeit einer alsbaldigen Probeexzision angenommen (S. 4 des Sitzungsprotokolls vom 3.12.2012, Bl. 122 der Beiakte 9 O 271/11 LG Bonn).

bb) Soweit es um die Kausalität des Fehlers für den Tod des Patienten geht, lag ebenfalls eine Kenntnis der Klägerin von den den Anspruch begründenden Umständen vor. Da der den Beklagten angelastete Fehler einen Befunderhebungsfehler darstellt, der unter weiteren Voraussetzungen zur Beweislastumkehr in Bezug auf die Kausalität führt, musste sich die Kenntnis der Klägerin nur auf diese Voraussetzungen beziehen. Lagen diese vor, stellte die Ursächlichkeit des Fehlers für den Schaden keinen anspruchsbegründenden Umstand mehr dar. Vielmehr oblag es wegen der Beweislastumkehr den Beklagten, die äußerste Unwahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs nachzuweisen. Eine sichere Kenntnis von einem Kausalzusammenhang hätte im vorliegenden Fall oder in einem vergleichbaren Fall niemand haben können. Denn wie aus den Ausführungen von Dr. Y und Prof. Dr. I im Vorprozess nachvollziehbar folgt, hätten eine alsbaldige Probeexzision mit dem höchstwahrscheinlichen Befund einer Metastase (vgl. S. 4 des Sitzungsprotokolls vom 3.12.2012, Bl. 122 der Beiakte) und eine sich anschließende Entfernung des Tumors den Tod des Patienten keineswegs sicher, sondern nur mit eine gewissen, wenn auch über der Grenze der äußersten Unwahrscheinlichkeit liegenden Wahrscheinlichkeit verhindert (S. 3 f. des Sitzungsprotokolls vom 20.10.2014, Bl. 394 f. der Beiakte).

Ein Befunderhebungsfehler bewirkt eine Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden, wenn sich bei der gebotenen Abklärung der Symptome mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde und diese Fehler generell geeignet sind, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen (BGH, Urteil vom 17.11.2015 - VI ZR 476/14, iuris Rdn. 17, abgedruckt in VersR 2016, 260 ff.).

Die der Klägerin im Jahr 2011 bekannten Tatsachen reichten aus, um ihr eine Kenntnis dieser Voraussetzungen zu vermitteln und den Schluss auf sie als naheliegend erscheinen zu lassen. Dass sich bei einer Suche nach einem Tumor im rechten Oberschenkel des Patienten im Juni 2006 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiger Befund ergeben hätte, folgte auch für einen medizinischen Laien wie die Klägerin aus den in der Klageschrift vom 8.8.2011 dargelegten Umständen. Denn tatsächlich wurde im rechten Oberschenkel kurze Zeit später im Februar 2007 im Universitätsklinikum N eine Knochenmetastase des Nierzenellkarzinoms festgestellt. Ferner legte das Auftreten des Bruchs es nahe, dass die Knochenmetastase bereits im Juni 2006 vorhanden war und sich auswirkte. Aus dem in der genannten Klageschrift dargelegten Vorgehen im Universitätsklinikum N, wo Prof. Dr. X den Tumor resezierte und eine spezielle Tumorprothese einsetzte, ergab sich außerdem, dass die Beklagten auf den Befund einer Knochenmetastase zwingend hätten reagieren müssen. Soweit es um die Eignung des Fehlers zur Herbeiführung des Todes des Patienten geht, stellt es auch medizinischen Laien bekanntes Allgemeinwissen dar, dass eine frühzeitige Behandlung eines Karzinoms die Heilungs- und Überlebensaussichten verbessert. Gerade aus diesem Grund werden bestimmte Vorsorgeuntersuchungen empfohlen und in großem Umfang durchgeführt.

c) Soweit im Anschluss an die Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin vom 21.1.2015 und 4.5.2015, mit denen erstmals Unterhaltsansprüche der Klägerin gegenüber den Beklagten geltend gemacht wurden, Verhandlungen im Sinne von 203 BGB geführt worden sein sollten, hätte dies nicht mehr zu einer Hemmung der mit dem Schluss des Jahres 2014 abgelaufenen regelmäßigen Verjährungsfrist geführt.

2. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Berufungsstreitwert: 210.420,00 Euro


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