Tödlicher Unfall im Freibad - Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und Organisationsmängel - Schild Benutzung auf eigene Gefahr stellt keinen Haftungsausschluss dar

21.09.2017 - Oberlandesgericht Stuttgart - Aktenzeichen 2 U 11/17

Oberlandesgericht Stuttgart

Urt. v. 21.09.2017, Az.: 2 U 11/17


eigene Zusammenfassung

Im vorliegenden Fall verstarb ein Mann auf Grund eines Unfalls in einem Schwimmbad. Er war von einem Sprungturm mit mehreren Ebenen gesprungen. Als er auftauchte kollidierte er mit einem anderen Springer. Er verstarb an seinen Verletzungen. Als Hinterbliebene blieben seine Frau und 2 Kinder zurück, welche nun Schadensersatzansprüche geltend machen. Eine "Selbstorganisation" der Springer genügt den Verkehrssicherungspflichten des Betreibers nicht.

Das OLG stellt in diesem Zusammenhang nochmals sauber die Pflichten des Betreibers eines Schwimmbads bzw. Freibads oder vergleichbarer Freizeitparks wie Kinder-Fun-Parks oder Freizeitparks zum Schutz der Gäste wie folgt dar:

"Der Betreiber eines Schwimmbades ist verpflichtet, die Badegäste vor Gefahren zu schützen, denen diese beim Besuch des Bades und bei der Benutzung der Einrichtungen des Bades ausgesetzt sein können. Unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht für Schwimmbäder müssen die Badegäste vor den Gefahren geschützt werden, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, von ihnen nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind, wobei, wenn das Schwimmbad nicht nur von Erwachsenen besucht wird, für den Umfang der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen auch in Betracht zu ziehen ist, dass insbesondere Kinder und Jugendliche dazu neigen, Vorschriften und Anordnungen nicht zu beachten und sich unbesonnen zu verhalten (BGH, Urteil vom 05.10.2004, VI ZR 294/03, Rn. 12, juris). Der Aufwand, den der Verkehrssicherungspflichtige dabei zu treiben hat, richtet sich auch nach den möglichen Verletzungsfolgen, die den Benutzern einer Sport- oder Freizeitanlage drohen (BGH, aaO., Rn. 17)."

Das Landgericht gab der Klage noch vollständig statt. Das Oberlandesgericht nahm ein Mitverschulden des Verstorbenen zu Lasten der Hinterbliebenen in Höhe von 25 % an, da er sich in eine erkennbar gefährliche Situation begeben hat. Wie für den Betreiber des Bades war nämlich auch für den Springer erkennbar, dass die "Selbstorganisation" der Springer am Sprungturm erhebliche Risiken von Verletzungen birgt.

Einen Haftungsausschluss lehnte das OLG jedoch ab. Ein Schild "Benutzen auf eigene Gefahr" lässt die Haftung und Organisationspflichten sowie Verkehrssicherungspflicht nicht entfallen. Das Schild ist juristisch eine allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) und verstößt gegen §§ 309 Nr. 7a und b BGB.


Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 21.12.2016, Az. 6 O 135/16, teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wie folgt neu gefasst:

Die Klageanträge sind dem Grunde nach zu 75 Prozent gerechtfertigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger 1/4 und die Beklagten als Gesamtschuldner 3/4. Die Beklagten tragen ferner als Gesamtschuldner 3/4 der im Berufungsverfahren entstandenen Kosten des Streithelfers.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Streitwert: 187.631,17 Euro.

Gründe

I.

1. Die Kläger machen Schadensersatz geltend aus einem Unfall im Mineralfreibad am 04.07.2015, bei dem X der 35-jährige Ehemann der Klägerin Ziff. 1 und Vater der minderjährigen Kläger Ziff. 2 und 3, tödlich verunglückt ist.

Der Beklagte Ziff. 1 ist Pächter und Betreiber des Freibads, der Beklagte Ziff. 2 war zum Unfallzeitpunkt der vor Ort tätige Bademeister, der die Badeaufsicht im Bereich des Sprungbeckens und somit auch im Hinblick auf die Sprunganlagen innehatte.

Das Mineralfreibad verfügt über einen etwa 70 Jahre alten Sprungturm, der aus drei übereinander liegenden Plattformen in 5, 7,5 und 10 m Höhe besteht. Die höher liegenden Sprungplattformen überragen die jeweils darunter liegende Plattform um etwa 0,5 bis 1 m.

Die Reihenfolge, in der von den verschiedenen Ebenen des Sprungturms gesprungen wurde, regelten die Badegäste in eigener Regie in der Weise, dass derjenige Badegast, der springen wollte, sich zunächst von seiner Plattform aus vergewisserte, dass der Eintauchbereich frei ist, sodann laut rief „5er bzw. 7,5er oder 10er springt“ und anschließend sprang. Diese Vorgehensweise war die gängige Praxis im Freibad.

Am Unfalltag war das Freibad wegen des heißen Wetters stark frequentiert. Alle Ebenen des Sprungturms waren wie üblich geöffnet. Auch der Sprungturm war stark frequentiert.

Gegen 16:00 Uhr begab sich X auf die 5-Meter-Plattform. Er rief „5er springt“ und sprang in den zu diesem Zeitpunkt freien Eintauchbereich. Unmittelbar danach sprang der Streithelfer der Kläger von der 10-Meter-Plattform per Kopfsprung ins Wasser. Der Streithelfer prallte mit dem Rücken gegen den gerade im Auftauchen begriffenen X. Dieser zog sich durch den Aufprall schwere Kopfverletzungen zu, an denen er einen Tag später verstarb.

Die Kläger machen mit ihrer Klage Beerdigungskosten und Unterhaltsansprüche geltend.

Der Beklagte Ziff. 1 behauptet:

Der Streithelfer habe sich vor seinem Sprung nicht ordnungsgemäß darüber vergewissert, ob das Becken frei sei. Er sei untypisch weit in das Becken hineingesprungen und habe so den dort noch befindlichen Herrn X getroffen.

Es gebe eine Vielzahl vergleichbarer Sprunganlagen bundesweit. Es sei üblich, dass zeitgleich alle Sprungbretter geöffnet seien.

Der Beklagte Ziff. 2 behauptet:

Herr X habe seinen Sprung zwar angekündigt, aber so leise, das diese Ankündigung für die Springer auf den höheren Plattformen nicht wirklich hörbar gewesen sei.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

2. Das Landgericht hat in einem Grundurteil die Klageanträge dem Grunde nach zu 100 Prozent für gerechtfertigt erklärt.

Der Beklagte Ziff. 1 habe seine Verkehrssicherungspflicht als Betreiber des Schwimmbads verletzt. Er habe die Pflicht gehabt, durch organisatorische Anweisungen sicherzustellen, dass nicht zeitgleich von allen Ebenen des Sprungturms gesprungen werden könne. Tatsächlich seien am gesamten Unfalltag sämtliche Plattformen des Sprungturms für jedermann offen zugänglich und zum Springen geöffnet gewesen. Dass der Beklagte Ziff. 1 den Beklagten Ziff. 2 angewiesen habe, jeweils lediglich eine Plattform für den Sprungbetrieb freizugeben, sei nicht glaubhaft. Ohnehin hätte dem Beklagten Ziff. 1, der am Unfalltag vor Ort war, die gegenteilige Praxis auffallen müssen.

Die fehlende Anweisung bzw. deren unbeanstandet gebliebene Nichtbefolgung stelle einen klaren Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche objektive Sorgfalt dar. Bei einem Sprungturm mit unmittelbar übereinanderliegenden Sprung-Ebenen liege es auf der Hand, dass die gleichzeitige Freigabe aller Sprung-Plattformen ein erhebliches Gefahrenpotential in sich trage. Dieses Gefahrenpotential sei am Unfalltag noch erhöht gewesen, weil das Freibad und der Sprungturm wegen des guten Wetters sehr gut besucht gewesen seien. Es sei naheliegend, dass aufgrund des höheren allgemeinen Geräuschpegels Rufsignale von Springern entweder objektiv nicht vernehmbar seien oder im allgemeinen Geräuschpegel untergehen könnten. Hinzu komme, dass es gestattet gewesen sei, dass sich auf jeder Sprung-Ebene mehrere Badegäste aufgehalten hätten, und dass Springen mit vorherigem Anlauf nicht untersagt gewesen sei.

Der Beklagte Ziff. 2 hafte wegen der ihn als eingesetzten Bademeister treffenden Verkehrssicherungspflicht. Dass er vom Beklagten Ziff. 1 angewiesen worden sei, lediglich eine Sprung-Ebene zum Springen freizugeben, sei zwar nicht glaubhaft. Dem Beklagten Ziff. 2 sei aber die Aufsicht über das Sprunggeschehen am Unfalltag übertragen gewesen. Jedenfalls bei den konkreten Gegebenheiten zum Unfallzeitpunkt (starker Freibadbesuch, starker Besuch des Sprungturms, Durchführung von Sprüngen von allen Sprungturm-Ebenen mit Anlauf von hinten) hätte dem Beklagten Ziff. 2 klar sein müssen, dass eine Selbstorganisation des Sprungbetriebs durch Ruf- und/oder Blickkontakte ein erhebliches Gefährdungspotential in sich berge.

Die jeweils gegebene Verletzung der objektiven Sorgfalts- und/oder Organisationspflicht indiziere auch die subjektive Fahrlässigkeit für beide Beklagte. Aus einer etwaigen Unfallfreiheit in der Vergangenheit hätten die Beklagten nicht den Schluss ziehen dürfen, es werde auch weiterhin alles gut gehen.

Die ausgehängten Tafeln wie „Springen auf eigene Gefahr“ u.ä. begründeten keinen wirksamen Haftungsausschluss der Beklagten. Die Regelungen verstießen als Allgemeine Geschäftsbedingungen gegen §§ 309 Nr. 7a und b, 305c Abs. 2 BGB, weil sie einen Ausschluss jeglicher Haftung und für jegliche Schäden auch bei grober Fahrlässigkeit bestimmten.

Ein „Handeln auf eigene Gefahr“ liege nicht vor. Dabei handele es sich wie etwa bei der Teilnahme an Boxkämpfen um Fälle, bei denen von einer Einwilligung des Geschädigten in die als möglich vorgestellte Rechtsgutsverletzung mit der Folge einer Nichthaftung des Schädigers ausgegangen werden könne. Voraussetzung sei das Einverständnis mit der Rechtsgutsverletzung. Die bloße Einwilligung in eine Handlung, die nicht auf den Eingriff in das Schutzgut abziele, beseitige die Widerrechtlichkeit nicht. Die bei Herrn X eingetretene tödliche Verletzung sei von keinem der Beteiligten in Betracht gezogen worden, von einer Einwilligung in eine derartige Verletzung könne in keiner Weise ausgegangen werden.

Herrn X treffe kein Mitverschulden an dem Unfall. Der Beklagte Ziff. 2 und mehrere Zeugen hätten ein lautes, vorheriges Rufen des Herrn X „5er springt“ bestätigt. Auch könne Herrn X nicht vorgeworfen werden, er habe nach dem Sprung nicht zügig genug das Sprungbecken verlassen, da der Beklagte Ziff. 2 und mehrere Zeugen ebenfalls bestätigt hätten, dass Herr X gerade erst im Auftauchen begriffen gewesen sei, als er von dem nachfolgenden Springer getroffen worden sei.

Dass sich Herr X freiwillig und für ihn erkennbar in eine gefährliche Situation begeben habe, indem er an dem von den Springern eigenständig durch Zurufen und Blickkontakt geregelten Sprungbetrieb teilgenommen habe, begründe kein Mitverschulden. Jedenfalls würde dieses hinter dem klaren objektiven Sorgfaltspflichtverstoß der Beklagten zurücktreten. Denn letztlich habe sich in dem Unfall gerade das Risiko verwirklicht, das bei Einhaltung der im Verkehr objektiv erforderlichen Sorgfalts-, Überwachungs- und Organisationspflichten hätte vermieden werden können und sollen.

3. Die Beklagten verfolgen mit ihrer Berufung ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klagabweisung weiter.

Der Beklagte Ziff. 1 trägt in seiner Berufungsbegründung vor:

Die Beweisaufnahme vor dem Landgericht habe ergeben, dass die im Mineralfreibad geübte Praxis zur Benutzung des Sprungturms über Jahrzehnte hinweg ohne nennenswerte Unfälle durchgeführt worden sei. Ausweislich der Zeugen sei am Unfalltag das Rufen der einzelnen Springer deutlich für die anderen Benutzer der Sprunganlage zu hören gewesen. Der Streithelfer habe angegeben, er sei möglicherweise durch das Gespräch mit Herrn Y abgelenkt gewesen und habe aufgrund dessen den Ruf des Ehemanns der Klägerin Ziff. 1 nicht gehört. Ausschließlich aufgrund dieses fahrlässigen Verhaltens des Streithelfers sei der streitgegenständliche Unfall eingetreten.

Der Beklagte Ziff. 1 habe keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Er habe das Schwimmbad weder erbaut noch den Sprungturm errichtet. Insoweit habe er keinen Verkehr eröffnet, sondern nur fortgeführt. Der Sprungbetrieb sei schon Jahrzehnte vor der Übernahme durch den Beklagten Ziff. 1 ohne ernsthaften Unfall organisiert gewesen, so dass sich die gebotene Verkehrssicherung für den Beklagten Ziff. 1 zwingend hieran habe orientieren müssen.

Weiter sei zu berücksichtigen, dass die jahrzehntelange Praxis am Sprungturm sowohl dem Ehemann der Klägerin Ziff. 1 als auch dem Streithelfer bekannt gewesen sei. Es habe mithin für keine der an dem Vorfall beteiligten Personen eine unbekannte Situation vorgelegen, auf die sie sich nicht hätte einstellen können.

An dem erstinstanzlich bereits erhobenen Einwand des Vorliegens eines Haftungsausschlusses, eines Handelns auf eigene Gefahr bzw. des Mitverschuldens werde festgehalten.

Der Beklagte Ziff. 2 trägt in seiner Berufungsbegründung vor:

1. Dass drei direkt übereinander liegende Sprungplattformen gleichzeitig geöffnet gewesen seien, stelle keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht dar. Der praktizierte Ablauf, wonach der Nutzer erst den Eintauchbereich kontrolliere und dann seine Sprungabsicht laut ankündige, habe über Jahrzehnte bei mehreren hunderttausend Sprüngen funktioniert. Wenn sich jeder an diesen Ablauf halte, seien Schäden grundsätzlich ausgeschlossen. Dass sich jeder daran halte, sei durch die ständige Überwachung des Freibadbetreibers abgesichert.

Ohne Relevanz sei, dass diese Nutzungsordnung/Sprungkultur nicht schriftlich fixiert gewesen sei, da beide am Unfall beteiligte Personen den geltenden Ablaufmechanismus gekannt hätten.

Soweit das Landgericht darauf abstelle, dass wegen der besonderen Umstände am Schadenstag von der oben geschilderten Verfahrensregel hätte abgewichen werden müssen, sei dies nicht richtig. Durch den starken Freibadbesuch und den starken Andrang am Sprungturm habe sich zwar die Geräuschkulisse für die potentiellen Springer erhöht. Die Beweisaufnahme habe aber ergeben, dass die verbalen Sprungankündigungen auf dem Sprungturm auch am Schadenstag gut hörbar gewesen seien. Auch in der Vergangenheit sei es bei starker Besucherfrequenz zu keinem bekannten Schadensfall gekommen.

2. Selbst wenn ein objektiver Pflichtverstoß vorliegen würde, treffe dieser nur den Beklagten Ziff. 1 als Betreiber des Freibads. Für die Maßnahme, dass alle drei Sprungebenen gleichzeitig geöffnet gewesen seien, sei der Beklagte Ziff. 2 nicht verantwortlich. Dem Beklagten Ziff. 2 sei lediglich die Überwachungspflicht, nicht aber die Organisationspflicht am Sprungturm übertragen gewesen.

Der Beklagte Ziff. 2 habe vom Beklagten Ziff. 1 die Anweisung erhalten, den Sprungbetrieb dahingehend zu überwachen, dass immer nur eine Person springe und die Springer entweder nach Absprache oder nach Erlaubnis des Schwimmmeisters den Sprung ausführen. Diese Dienstanweisung habe denklogisch beinhaltet, dass alle Plattformen geöffnet seien, da es andernfalls einer Absprache unter den Springern oder einer Erlaubnis des Schwimmmeisters nicht bedurft hätte. Die frühere schriftliche Dienstanweisung vom 01.08.1995, wonach immer nur eine Sprungplattform geöffnet sein dürfe, sei dem Beklagten Ziff. 2 nicht bekannt gewesen und habe für ihn auch keine Gültigkeit gehabt, da der Beklagte Ziff. 1 ab 18.03.1999 als Pächter des Freibads selbständig und eigenverantwortlich für die im Freibad geltenden Regeln zuständig gewesen sei.

Für den Beklagten Ziff. 2 habe keine Veranlassung bestanden, seinen Chef, den Beklagten Ziff. 1, auf die Sperrung einer oder zweier Ebenen des Sprungturms hinzuweisen, zumal dieser selbst ein erfahrener Schwimmmeister sei und keine 50 m entfernt im Bereich des Schwimmbeckens selbst Aufsicht geführt und die Situation am Sprungturm gekannt habe.

Die Beklagten/Berufungskläger beantragen:

Das am 21.12.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Heilbronn (Bm 6 O 18/16) wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger beantragen:

Zurückweisung der Berufung

Der Streithelfer der Kläger beantragt,

die Berufungen der Beklagten zu verwerfen.

Die Kläger verteidigen das landgerichtliche Urteil als richtig.

Es bleibe bestritten, dass bei der großen Anzahl an Besuchern des Freibads ein Zurufen unter den Springern problemlos möglich gewesen sei und als ernsthafte Alternative zu einem durch den Bademeister geregelten Sprungbetrieb mit nur einer geöffneten Sprungebene in Frage komme. Der von der ermittelnden Staatsanwaltschaft Heilbronn eingesetzte Sachverständige habe bei einer Ortsbesichtigung die Selbstorganisation per Zuruf getestet und festgestellt, dass Rufe von einer Sprungebene zur nächsten kaum wahrnehmbar seien, obwohl das Freibad an diesem Tag nicht besucht gewesen sei und der Sachverständige mit keinen störenden Nebengeräuschen durch andere Badegäste zu kämpfen gehabt habe. Es habe sehr wohl auch Zeugenaussagen gegeben, die darauf hingewiesen hätten, dass es am Unfalltag für die sonst praktizierte Rufverständigung viel zu laut gewesen sei.

Soweit die Beklagten darauf abheben, dass es in über 70 Jahren bisher nie zu Unfällen gekommen sei, werde dies bestritten. Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es schon zu Beinahe-Unfällen gekommen sei.

Der Beklagte Ziff. 2 könne sich nicht mit dem Argument herausreden, dass die Aufgabe der Organisationspflicht allein beim Beklagten Ziff. 1 liege. Abgesehen davon, dass es seit dem 01.08.1995 die schriftliche Dienstanweisung gebe, dass der Sprungbereich eine besondere Aufsicht durch den Schwimmmeister erforderlich mache, wäre der Beklagte Ziff. 2 verpflichtet gewesen, für die Aufsicht und die Sicherheit am Sprungturm zu sorgen. Schon aus dem gesunden Menschenverstand heraus wäre der Beklagte Ziff. 2 verpflichtet gewesen, den Sprungbetrieb aktiv zu regeln und nicht auf die Vernunft der Badegäste oder auf explizite Anweisungen des Beklagten Ziff. 1 zu vertrauen.

Der Streithelfer der Kläger führt zu den Berufungsbegründungen ergänzend Folgendes aus:

Die Behauptung des Beklagten Ziff. 2, er habe am 04.07.2015 den Sprungbetrieb überwacht und sichergestellt, dass immer nur eine Person springe, sei durch die Beweisaufnahme widerlegt. Auch aus der Strafakte ergebe sich, wie bereits vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der einen Apfel essende Beklagte Ziff. 2 sich zum Unfallzeitpunkt nicht neben dem Sprungturm befunden habe, sondern erst nach dem Unfall langsam dahin geschlendert sei, wo Herr X hingelegt worden sei.

Falsch sei die Behauptung, dass der Streithelfer sich vor dem Sprung nicht über ein freies Schwimmbecken vergewissert habe. Der Streithelfer habe auch nicht ausgesagt, dass er durch das Gespräch mit dem Zeugen Y abgelenkt gewesen sei. Er habe dies lediglich nicht ausschließen können.

Der Beklagte Ziff. 1 habe selbst im Mai 1998 an den Bürgermeister geschrieben, dass er vorschlage, die Sprunganlage komplett stillzulegen, da sie so, wie es die damalige Dienstanweisung vorgeschrieben habe, nur mit zusätzlichem Personal betrieben werden könne und der Sprungturm darüber hinaus nicht der DIN entspreche.

In rechtlicher Hinsicht nimmt der Streithelfer auf das Urteil des OLG Köln vom 15.04.2003 (Az. 7 U 122/02) Bezug, wonach eine ständige Beaufsichtigung des Sprungbeckens erforderlich sei und der Beweis des ersten Anscheins dafür spreche, dass der Unfall vermieden worden wäre, wenn die Bademeister ihren Aufsichtspflichten im erforderlichen Umfang nachgekommen wären, weil das Schadensereignis nach allgemeiner Lebenserfahrung eine typische Folge der Pflichtverletzung darstelle. Wäre nur eine Sprungebene geöffnet gewesen und diese ordnungsgemäß obwaltet worden, wäre gewährleistet gewesen, dass die Springer einander sehen und sich verlässlich absprechen können. Gleiches gelte, wenn der Beklagte Ziff. 2 den Sprungbetrieb mi der Trillerpfeife und der Anweisung, wer nun springen dürfe, geregelt hätte. Dann wäre sichergestellt gewesen, dass Herr X das Sprungbecken verlassen hätte, bevor der Streithelfer von der 10-m-Plattform springe.

Die Behauptung des Beklagten Ziff. 2, er habe von dem Beklagten Ziff. 1 lediglich die Anweisung erhalten, den Sprungbetrieb entsprechend der Selbstorganisationspraxis zu überwachen, sei verspätet. Erstinstanzlich habe der Beklagte Ziff. 2 noch zugestanden, dass es ihm auch oblegen habe, sicherzustellen, dass der eingetauchte Springer die Gefahrenzone schnellstmöglich verlasse, sich kein sonstiger Schwimmer im Eintauchbereich befinde und sich insbesondere Jugendliche auf dem Sprungturm nicht übermütig verhalten. Zudem habe der Beklagte Ziff. 2 bei seiner Anhörung selbst ausgesagt, dass er von dem Beklagten Ziff. 1 die Anweisung erhalten habe, immer nur eine Plattform zum Springen zu öffnen. Ohnehin gehöre es unabhängig von einer schriftlichen Dienstanweisung zum Pflichtenkreis eines Bademeisters, dass er mit anhaltender Aufmerksamkeit vom Rande des Schwimmbeckens in der unmittelbaren Nähe des Sprungturms auf ein erkennbar gefährliches Geschehen reagiere. Wäre der Beklagte Ziff. 2 am 04.07.2015 derart aufmerksam am Sprungbecken gewesen, hätte er sichergestellt, dass Herr X das Sprungbecken verlassen hätte, bevor der Streithelfer springt.

II.

Die zulässigen Berufungen der Beklagten sind nur teilweise begründet.

1. Bedenken gegen die Zulässigkeit des Grundurteils bestehen nicht. Bei sämtlichen Klageanträgen handelt es sich um bezifferte Leistungsklagen, die nach Grund und Betrag streitig sind.

2. Die Klagen sind zulässig. Auch insoweit sind keine Bedenken ersichtlich.

3. Die Klage gegen die Beklagten ist unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Getöteten begründet. In Höhe eines Mitverschuldens von 25% hat die Berufung Erfolg.

Die Haftung der Beklagten für die Beerdigungskosten ergibt sich aus §§ 823 Abs. 1, 844 Abs. 1, 1968 BGB – die Klägerin Ziff. 1 hat die Beerdigungskosten bezahlt und dürfte darüber hinaus als Ehefrau des Getöteten auch (Mit-)Erbin sein -, für die geltend gemachten Unterhaltsansprüche aus § 823 Abs. 1, 844 Abs. 2 BGB.

4. Zur Haftung des Beklagten Ziff. 1:

a) Der Beklagte ist als Pächter des Freibads verkehrssicherungspflichtig. Dass er das Freibad nicht eröffnet, sondern (nur) fortgeführt hat, ändert hieran nichts.

b) Der Beklagte Ziff. 1 hat seine Verkehrssicherungspflicht, für einen sicheren Betrieb am Sprungturm zu sorgen, verletzt.

Der Betreiber eines Schwimmbades ist verpflichtet, die Badegäste vor Gefahren zu schützen, denen diese beim Besuch des Bades und bei der Benutzung der Einrichtungen des Bades ausgesetzt sein können. Unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht für Schwimmbäder müssen die Badegäste vor den Gefahren geschützt werden, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, von ihnen nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind, wobei, wenn das Schwimmbad nicht nur von Erwachsenen besucht wird, für den Umfang der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen auch in Betracht zu ziehen ist, dass insbesondere Kinder und Jugendliche dazu neigen, Vorschriften und Anordnungen nicht zu beachten und sich unbesonnen zu verhalten (BGH, Urteil vom 05.10.2004, VI ZR 294/03, Rn. 12, juris). Der Aufwand, den der Verkehrssicherungspflichtige dabei zu treiben hat, richtet sich auch nach den möglichen Verletzungsfolgen, die den Benutzern einer Sport- oder Freizeitanlage drohen (BGH, aaO., Rn. 17).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze traf den Beklagten Ziff. 1 eine Verkehrssicherungspflicht, den Sprungbetrieb so zu organisieren, dass nicht von mehreren Plattformen gleichzeitig gesprungen wird, soweit er nicht durch andere Vorkehrungen, beispielsweise durch eine Beaufsichtigung durch den Beklagten Ziff. 2 mit einer Freigabe jedes einzelnen Sprungs dafür Sorge tragen konnte, dass nicht zwei Springer gleichzeitig bzw. in zu kurzem zeitlichen Abstand springen.

aa) Das Springen von mehreren übereinander liegenden Plattformen setzt für einen sicheren Ablauf voraus, dass gewährleistet ist, dass nicht mehrere Springer gleichzeitig springen und dass der Nächste erst dann springt, wenn der vorangegangene Springer den Eintauchbereich bereits verlassen hat. Dieser sichere Ablauf ist nicht gewährleistet, wenn sich die Springer wie hier untereinander nur akustisch verständigen, ohne Sichtkontakt zu haben. Denn es ist immer möglich, dass der Ruf eines Springers durch andere Geräusche in der Nähe eines Badegastes auf einer anderen Sprungplattform übertönt wird, ohne dass dies für den Rufer erkennbar wäre. Deshalb ist der Umstand, dass sich auf den einzelnen Plattformen mehrere Badegäste befunden haben, entgegen der Ansicht des Beklagten Ziff. 2 durchaus von Relevanz, denn die Anwesenheit anderer Badegäste erhöht die Gefahr, dass derjenige, der als nächster springen will, von den Rufen von anderen Plattformen abgelenkt wird bzw. aufgrund anderer Geräuschquellen in der Nähe den Ruf ganz überhört. Hinzu kommt, dass nicht jeder Mensch gleich gut hört und ein Ruf, der für den einen Badegast noch hörbar sein mag, von einem anderen nicht mehr wahrgenommen werden kann. Die Benutzung der Sprunganlage muss aber auch für diejenigen gefahrlos möglich sein, deren Gehör unterdurchschnittlich gut ist, zumal gerade beim Springen das Gehör durch Wasser im Gehörgang beeinträchtigt sein kann.

Die optische Kontrolle, bei der sich der Springer zunächst von der Sprungkante aus vergewissert, dass der Eintauchbereich frei ist, genügt nicht. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass mehrere Springer auf mehreren Ebenen gleichzeitig feststellen, dass der Eintauchbereich frei ist, und deshalb der Ansicht sind, sie dürften springen. Stellen sie dann während des Sprungs fest, dass andere denselben Schluss gezogen haben, ist es zu spät. Zum anderen springen zahlreiche Badegäste mit Anlauf und vergewissern sich daher nicht mehr unmittelbar vor dem Sprung, dass kein anderer springt. In der Zeit, die durch das Anlaufnehmen nach dem Kontrollblick nach unten bis zum tatsächlichen Sprung vergeht, kann bereits ein anderer Springer gesprungen sein und sich im Eintauchbereich befinden.

bb) Der Ansicht der Beklagten, dass eine Verkehrssicherungspflicht deshalb ausscheide, weil es bis zu dem tödlichen Unfall am 04.07.2015 nie zu einem vergleichbaren Zwischenfall gekommen sei, ist nicht zu folgen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Behauptung der Beklagten, es habe nie vergleichbare Zwischenfälle gegeben, richtig ist. Die oben beschriebene Gefahr, dass zwei Springer mit hoher Geschwindigkeit im Eintauchbereich zusammenstoßen, liegt bei der gewählten Organisationsform jedenfalls dann, wenn das Bad gut gefüllt und der Lärmpegel entsprechend hoch ist, auf der Hand.

Auch ist das Argument, es sei bislang noch nie zu einem Unfall gekommen, bei näherer Betrachtung von geringem Gewicht. Da das Freibad unbeheizt ist, war der Badebesuch nur bei sehr warmen Wetter ähnlich gut wie am Unfalltag, als insgesamt über 600 Besucher registriert wurden und zum Unfallzeitpunkt jedenfalls mehr als 400 Besucher im Bad anwesend waren. Damit dürfte es in jedem Jahr nur wenige Tage gegeben haben, an denen die Besucherfrequenz ähnlich hoch war wie am Unfalltag. Die von den Beklagten behauptete jahrzehntelange Unfallfreiheit – unterstellt, es gäbe sie – wird dadurch deutlich relativiert.

cc) Gegen eine Verkehrssicherungspflicht des Beklagten Ziff. 1 spricht nicht, dass die oben beschriebene Gefahr für die Badegäste vorhersehbar und erkennbar war.

Sowohl der Getötete als auch der Streithelfer kannten allerdings die Gepflogenheiten am Sprungturm. Die damit einhergehenden Schwierigkeiten in der Kommunikation mit anderen Springern und die daraus resultierende Gefahr muss ihnen ebenso bewusst gewesen sein wie dem Beklagten Ziff. 1. Die Gefahr ist so offensichtlich, dass sie sich auch den Badegästen aufdrängen musste. Dementsprechend haben auch mehrere der in erster Instanz vernommenen Zeugen angegeben, dass sie an dem betreffenden Tag selbst nicht gesprungen seien bzw. ihren Kindern das Springen verboten hätten, weil sie es für zu gefährlich erachtet hätten.

Eine Verkehrssicherungspflicht bestand aber dennoch, weil der Beklagte Ziff. 1 nicht voraussetzen konnte, dass jeder Badegast, der am Sprungbetrieb teilnehmen wollte, die langjährige Übung kannte. Es kann auch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass ein neuer bzw. fremder Badegast ohne Kenntnis der üblichen Gebräuche diese Übung sofort erkennt und beim ersten Sprung bereits danach handelt. Ferner musste der Beklagte Ziff. 1 in Betracht ziehen, dass sich Kinder und Jugendliche unbesonnen verhalten könnten und die gebotene Absprache nicht mit der notwendigen Sorgfalt vornehmen. Jedenfalls gegenüber diesem Personenkreis bestand daher eine Verkehrssicherungspflicht. Besteht aber eine Verkehrssicherungspflicht, so gilt diese Pflicht generell, also auch gegenüber Personen, die die Gefahr selbst erkennen und vermeiden könnten.

dd) Der Beklagte Ziff. 1 hat die ihn treffende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Er hat keine organisatorischen Anweisungen dafür getroffen, dass nur von einer Sprungebene gesprungen wird bzw. dass durch eine enge Überwachung des Sprungbetriebs gewährleistet ist, dass bei jedem Sprung der Eintauchbereich frei wird.

Soweit der Beklagte Ziff. 1 in erster Instanz behauptet hatte, dass er den Beklagten Ziff. 2 angewiesen habe, dafür Sorge zu tragen, dass immer nur eine Plattform zum Springen freigegeben ist, hat er in zweiter Instanz von diesem Vortrag offensichtlich Abstand genommen. Ohnehin hat das Landgericht mit überzeugender Begründung dargelegt, warum es diese Behauptung für falsch hält. Im Übrigen ergibt sich dies bereits aus dem Vortrag des Beklagten Ziff. 1 selbst, wenn er behauptet, dass die Badegäste „jeweils nach unten bzw. oben kommunizieren, wer als nächster springen darf“. Eine solche Kommunikation ist naturgemäß nur möglich und sinnvoll, wenn sich auf den verschiedenen Plattformen auch sprungwillige Badegäste befinden.

c) Der Beklagte Ziff. 1 handelte schuldhaft. Die oben beschriebene Gefahr, dass Springer durch unzureichende Absprache zusammenstoßen und sich erheblich verletzen, liegt auf der Hand und war auch für den Beklagten Ziff. 1 ohne weiteres erkennbar.

Den Beklagten Ziff. 1 entlastet nicht, dass diese Art der Sprungorganisation bereits bestanden hat, als er das Bad als Pächter übernommen hat. Eine vorherige Praxis entbindet den Beklagten Ziff. 1 als Betreiber des Freibads nicht von der Pflicht, für einen sicheren Badebetrieb zu sorgen. Hinzu kommt, dass dem Beklagten Ziff. 1 bekannt war, dass der Technische Ausschuss der Stadt im Mai 1998, als der Beklagte Ziff. 1 noch als Schwimmmeister im Dienst der Stadt angestellt war, die Dienstanweisung dahin geändert hatte, dass die Sprunganlage nur für eine begrenzte Zeit unter permanenter Aufsicht des Schwimmmeisters geöffnet werden darf. Dass der Beklagte Ziff. 1 ausweislich seines daraufhin verfassten Schreibens an den Bürgermeister der Ansicht war, dass die bisherige Anweisung vollkommen ausreichend sei, ändert nichts an der Tatsache, dass er von der entgegenstehenden Dienstanweisung wusste. Auf die vorherige Handhabung durch die Stadt kann sich der Beklagte Ziff. 1 daher nicht berufen.

d) Die Haftung des Beklagten Ziff. 1 entfällt nicht aufgrund der aufgestellten Schilder wie „Springen auf eigene Gefahr – einzeln begehen“. Eine solche umfängliche Haftungsfreizeichnung durch AGB verstößt gegen §§ 309 Nr. 7a und b BGB. Gegen die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts hierzu erinnern die Berufungen der Beklagten – außer einem allgemeinen Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen – nichts.

e) Ein Mitverschulden bei der Ausübung des Sprungs, nach dem es zu dem tödlichen Zusammenprall gekommen war, hat das Landgericht zu Recht verneint. Nach der Beweisaufnahme spricht vieles dafür, dass Herr X vor seinem Sprung laut gerufen hatte „5er springt“ und dass er zum Zeitpunkt des Unfalls noch keine Zeit gehabt hatte, den Eintauchbereich zu verlassen, da er noch im Auftauchen begriffen war. Gegenteiliges haben die für ein Mitverschulden beweisbelasteten Beklagten jedenfalls nicht bewiesen.

f) Ein Mitverschulden des getöteten Herrn X, das sich die Kläger anspruchsmindernd anrechnen lassen müssen, ergibt sich aber aus der Rechtsfigur des „Handelns auf eigene Gefahr“. Das Landgericht lehnt zwar zu Recht einen vollständigen Haftungsausschluss durch die Annahme einer konkludenten Einwilligung ab, es verneint aber zu Unrecht ein Mitverschulden durch die Teilnahme an dem für Herrn X erkennbar gefährlichen, da nur unzureichend organisierten Sprungbetrieb.

aa) Im vorliegenden Fall war für Herrn X erkennbar, dass der Sprungbetrieb nur mangelhaft organisiert war. Er war vor dem Schadensereignis bereits mindestens zweimal von der 5-Meter-Plattform gesprungen. Auch nach seinem Wegzug hat er des Öfteren das Mineralfreibad besucht. Ihm waren daher die Gepflogenheiten am Sprungturm bekannt. Was in Bezug auf die Haftung des Beklagten Ziff. 1 zur Gefährlichkeit des Sprungbetriebs bei einer allein akustischen Abstimmung über mehrere Sprungebenen hinweg ausgeführt wurde, liegt auf der Hand und ist ohne zusätzliches Spezialwissen für jeden erwachsenen Badegast, der wie Herr X diese Gepflogenheiten kennt, ohne Weiteres erkennbar. Wer dennoch an dem Sprungbetrieb teilnimmt, handelt insoweit „auf eigene Gefahr“ und muss sich daher ein Mitverschulden anrechnen lassen.

bb) Das Mitverschulden führt zu einer Anspruchsminderung um 25%.

(aaa) Die Konstellation ist vergleichbar mit Glatteisunfällen, bei denen dem Geschädigten die durch die Glätte bedingte Sturzgefahr erkennbar war und eine geeignete Ausweichmöglichkeit bestand. In diesen Fällen begründet allein der Umstand, dass der Geschädigte vor Schadenseintritt die bestehende Gefahrenlage erkannt hat, keinen solchen Verursachungsanteil, dass demgegenüber der Verursachungsbeitrag des die Gefahr durch eine Pflichtverletzung begründenden Schädigers stets zurücktreten oder auch nur weniger schwer wiegen müsste. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des konkreten Einzelfalls (BGH, Urteil vom 20.06.2013, II ZR 326/12, NZV 2013, 534). Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge ist der Grad der vom Geschädigten erkannten Gefahr auch auf seiner Seite in die Abwägung einzubeziehen. Grundsätzlich ist dabei davon auszugehen, dass der die Verkehrssicherungspflicht Verletzende und für die Sicherheit eines Verkehrswegs Verantwortliche durch die Pflichtverletzung die wesentliche (maßgebliche Erst-)Ursache für einen Unfall setzt, der sich infolge der nicht beseitigten Gefahrenlage ereignet. Ein die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen ausschließender, weit überwiegender Verursachungsbeitrag des Geschädigten kann demgegenüber nur angenommen werden, wenn das Handeln des Geschädigten von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gekennzeichnet ist (BGH, aaO.).

(bbb) Gemessen an diesen Maßstäben ist von einem Mitverschulden des Herrn X auszugehen. Dieses tritt nicht vollständig hinter den klaren Sorgfaltspflichtverstoß der Beklagten zurück.

Sowohl die Eröffnung des Verkehrs durch den Beklagten Ziff. 1 als auch die Teilnahme am Verkehr durch Herrn X sind jeweils notwendige Ursachen für den Unfall.

Ein Unterschied in der Gewichtung der beiderseitigen Verursachungsanteile lässt sich nicht dadurch begründen, dass der Beklagte Ziff. 1 als Schwimmmeister über einen Informationsvorsprung bzw. über überlegenes Wissen verfügt hätte, denn ein solcher Informationsvorsprung existiert nicht. Ausdrückliche Regelungen zum Betrieb von Sprunganlagen, die der Beklagte Ziff. 1 im Gegensatz zu Herrn X hätte kennen müssen, gibt es nicht (vgl. das im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen, Anlage K13, Bl. 186). Die Gefahren bei der vorliegenden Sprungpraxis liegen auf der Hand und sind für einen mit dieser Praxis vertrauten Badegast in gleicher Weise erkennbar wie für den Beklagten Ziff. 1.

Die Motivation der Beteiligten ist gleichfalls kein Grund für eine unterschiedliche Gewichtung. Dem Motiv des Beklagte Ziff. 1, mit der Freigabe aller Ebenen die Attraktivität des Freibades zu steigern, um seine Einnahmen zu erhöhen, steht das aufgrund der erhöhten Attraktivität gleichfalls gesteigerte Freizeitvergnügen des Herrn X gegenüber.

Entscheidender Gesichtspunkt für einen höheren Haftungsanteil des Beklagten Ziff. 1 ist aber der Umstand, dass er zur Organisation des Sprungbetriebs verpflichtet war und durch die unterlassene Organisation die maßgebliche Erstursache gesetzt hat. Zudem hat er durch die Eröffnung des Sprungbetriebs für die Badegäste einen Anreiz gesetzt, sich der Gefahr durch den mangelhaft organisierten Sprungbetrieb auszusetzen, wobei er die Gefahr unschwer durch eine entsprechende Organisationsverfügung, dass nur noch von einer Plattform gesprungen werden dürfe, hätte beseitigen können, während die Badegäste der Gefahr allein dadurch aus dem Weg gehen konnten, dass sie auf eine Teilnahme am Sprungbetrieb ganz verzichteten.

Diese Erwägungen führen dazu, dass das Mitverschulden des Herrn X deutlich geringer zu bewerten ist als das Verschulden des Beklagten Ziff. 1. Im Ergebnis erscheint ein Mitverschulden von 25% als angemessen. Dieses Mitverschulden des Herrn X müssen sich die Kläger bei ihren Ansprüchen aus § 844 BGB gem. § 846 BGB anrechnen lassen.

5. Zur Haftung des Beklagten Ziff. 2:

a) Die Verkehrssicherungspflicht des Beklagten Ziff. 2 folgt aus der Übernahme der Schwimmmeistertätigkeit mit der damit verbundenen Aufsicht am Sprungturm. Der Beklagte Ziff. 2 wäre – angesichts des starken Bade- und Sprungbetriebs jedenfalls am Unfalltag – verpflichtet gewesen, zwei Ebenen zu sperren, um einen Unfall wie den vorliegenden zu verhindern.

aa) Eine für den Unfall kausale Verletzung der den Beklagten Ziff. 2 treffenden Aufsichtspflicht läge allerdings nicht vor, wenn unterstellt würde, dass der Beklagte Ziff. 2 die Selbstorganisation des Sprungbetriebs nicht unterbinden musste.

Der Beklagte Ziff. 2 befand sich zum Zeitpunkt des Unfalls in der Nähe des Sprungturms. Er war nach seinen eigenen Angaben auf dem Weg vom 1-m-Sprungbrett zu der Freibadbrücke, um von dort den Sprungturm weiter zu beaufsichtigen. Das 1-m-Brett befindet sich wenige Meter rechts neben dem Sprungturm (in Sprungrichtung gesehen), die Brücke, die das Sprungbecken vom restlichen Schwimmerbecken abtrennt, etwa 5 bis 10 m links neben dem Sprungturm (vgl. das Lichtbild Nr. 4 in der Lichtbildmappe, Anlage K5, Bl. 120).

Der Beklagte Ziff. 2 war daher zum Zeitpunkt des Unfalls vor Ort. Dass er den Standort wechseln wollte, um einen anderen Blickwinkel zu haben, kann ihm nicht vorgeworfen werden.

Bei der Beaufsichtigung des Sprungbetriebs war der Beklagte Ziff. 2 nach der ständigen Praxis am Sprungturm nicht dafür zuständig, die einzelnen Sprünge freizugeben. Ihm oblag es lediglich, bei Verstößen gegen die übliche Praxis bzw. bei sonstigem gefährlichem Verhalten oder erkennbar gefährlichen Situationen einzugreifen. Ein Anlass zum Einschreiten war bis zum Unfall selbst jedoch nicht ersichtlich. Dass sich die Springer nicht an die üblichen Gepflogenheiten (optische Kontrolle, akustische Sprungankündigung) gehalten hätten, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Der Beklagte Ziff. 2 hätte daher frühestens einschreiten können, als der Streithelfer „10er springt“ rief, obwohl sich zu diesem Zeitpunkt Herr X noch im Eintauchbereich befand. Nachdem aber bereits unklar ist, ob der Ruf des Streithelfers zwei Plattformen weiter unten zu hören war, kann dem Beklagten Ziff. 2 erst recht nicht nachgewiesen werden, dass er diesen Ruf am Fuß des Sprungturms noch hören konnte bzw. musste. Selbst wenn er ihn gehört hätte, ist zweifelhaft, ob er den Streithelfer noch rechtzeitig vom Springen hätte abhalten können.

bb) Eine Haftung des Beklagten Ziff. 2 ergibt sich aber aus einer Verletzung der Organisationspflicht. Nicht nur der Beklagte Ziff. 1, sondern auch der Beklagte Ziff. 2 war verpflichtet, den Sprungbetrieb anders zu organisieren.

(aaa) Eine entsprechende Pflicht zur Organisation des Sprungbetriebs ergibt sich allerdings nicht aus der Behauptung des Beklagten Ziff. 2 aus erster Instanz, wonach er mündlich vom Beklagten Ziff. 1 die Anweisung erhalten habe, immer nur eine Plattform zum Springen zu öffnen (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2016, Bl. 118), denn die Kläger, die die Darlegungslast für eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Beklagten Ziff. 2 tragen, haben sich diese Behauptung nicht zu eigen gemacht.

Im Übrigen war die entsprechende Behauptung des Beklagten Ziff. 2 auch nicht glaubhaft. Das Landgericht hat in seinem Urteil zu Recht darauf hingewiesen, dass der Beklagte Ziff. 2 in der Klageerwiderung eine solche Anweisung substantiiert bestritten hatte und eine solche Anweisung mit der jahrzehntelang geübten Praxis der Selbstorganisation der Springer, die dem Beklagten Ziff. 1 nicht verborgen geblieben sein kann, nicht zu vereinbaren wäre.

(bbb) Auch der Vortrag der Kläger zu den Dienstanweisungen aus dem Jahr 1998 legt die Befugnis des Beklagten Ziff. 2 zur Organisation des Sprungbetriebs nicht schlüssig dar.

Die Kläger haben die Befugnis des Beklagten Ziff. 2 zur teilweisen Sperrung der Sprungebenen unter Bezugnahme auf die Dienstanweisung für das Personal im Schwimmbad vom 01.08.1995 in der Fassung nach der Änderung vom 12.05.1998 behauptet. Nach dieser Dienstanweisung – so die Kläger – hätten die Sprungplattformen nur einzeln für den Sprungbetrieb freigegeben werden dürfen. Über die Freigabe hätte der Schwimmmeister nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden gehabt (Anlage K7, Bl. 82).

Unabhängig davon, ob die Dienstanweisung den zitierten Wortlaut gehabt hat, handelte es sich bei der Dienstanweisung ohnehin nur um eine innerdienstliche Vorschrift, die Geltung nur für die Mitarbeiter der Stadt beanspruchen konnte. Für die Zeit nach Verpachtung des Freibads an den Beklagten Ziff. 1 hat die Dienstanweisung keine Gültigkeit mehr. Gleiches gilt für eine Anweisung vom 10.07.1998, wonach die Sprunganlage nur für eine begrenzte Zeit unter permanenter Aufsicht des Schwimmmeisters geöffnet werden durfte und ansonsten geschlossen sein musste (Anlage K10, Bl. 98).

(ccc) Eine Befugnis des Beklagten Ziff. 2 zur Organisation des Sprungbetriebs ergibt sich aber aus dem als Anlage K11 (Bl. 164) vorgelegten Arbeitsvertrag des Beklagten Ziff. 2. In diesem Arbeitsvertrag heißt es zur Tätigkeit u.a.: „Der Arbeitnehmer wird eingestellt als Schwimm-Meister im Mineralfreibad. Sein Aufgabenbereich umfasst sämtliche anfallenden Tätigkeiten als Schwimm-Meister.“

Unter „anfallende Tätigkeiten als Schwimm-Meister“ fällt auch die Regelung des Sprungbetriebs. Grundsätzlich ist ein Schwimmmeister in einem Freibad nicht nur gehalten, zur Erfüllung der von den Besuchern abgeschlossenen Benutzungsverträge tätig zu werden; ihm obliegt aufgrund seiner beruflichen Stellung auch die deliktische (Garanten-)Pflicht, dafür zu sorgen, dass keiner der Besucher bei dem Badebetrieb zu Schaden kommt. Zu diesem Zweck hat er insbesondere die einzelnen Schwimmbecken daraufhin zu überwachen, ob dort Gefahrensituationen für die Badegäste auftreten (BGH, Urteil vom 12.06.1990, Az. VI ZR 273/89). Treten entsprechende Gefahrensituationen auf, so hat der Schwimmmeister diese zu unterbinden. Ist hierzu eine organisatorische Maßnahme notwendig, hat er diese zu treffen bzw. darauf hinzuwirken, dass diese getroffen wird. War mithin die Selbstorganisation des Sprungbetriebs gefährlich, so hatte der Beklagte Ziff. 2 diese zu unterbinden und für einen anderen, sicheren Sprungbetrieb zu sorgen.

In diesem Sinne hat offensichtlich auch der Beklagte Ziff. 2 seinen Arbeitsvertrag ausgelegt, wenn er ausführt, dass er keine Veranlassung gesehen habe, die Organisationsstruktur am Sprungturm zu ändern bzw. den Beklagten Ziff. 1 darauf hinzuweisen. Dieser Vortrag lässt nur den Rückschluss zu, dass er dies als seine Aufgabe angesehen hätte, wenn er die Gefährlichkeit erkannt hätte. Gleiches gilt für seine Bemerkung, dass er gelegentlich den Sprungturm „aus erzieherischen Gründen“ vorübergehend gesperrt habe. Auch diese Bemerkung zeigt, dass er sich zu entsprechenden organisatorischen Maßnahmen am Sprungturm durchaus befugt gesehen hat.

Inwieweit bindende Weisungen des Beklagten Ziff. 1 als primär Verkehrssicherungspflichtigen zur Organisation des Sprungbetriebs die eigene Verkehrssicherungspflicht des Beklagten Ziff. 2 entfallen lassen würden bzw. die Verkehrssicherungspflicht des Beklagten Ziff. 2 auf die Befolgung der Weisungen beschränkt wäre (vgl. hierzu Staudinger/Johannes Hager, BGB [2009], § 823 E Rn. 65), kann dahinstehen. Eine Weisung des Inhalts, beim Sprungbetrieb auch bei starkem Besucherandrang stets alle Sprungplattformen gleichzeitig geöffnet zu lassen, lässt sich dem Vortrag des Beklagten Ziff. 2 nicht entnehmen. Insbesondere hat die vom Beklagten Ziff. 2 behauptete Anweisung, den Sprungbetrieb dahingehend zu überwachen, dass immer nur eine Person springe und die Springer entweder nach Absprache oder nach Erlaubnis des Schwimmmeisters den Sprung ausführen, nicht den Inhalt, zwingend alle Sprungebenen offen zu halten. Der behaupteten Anweisung wäre auch dann genüge getan, wenn der Beklagte Ziff. 2 nur eine Plattform zum Sprungbetrieb freigibt und darauf achtet, dass von dieser Plattform keine Sprünge gleichzeitig ausgeführt werden.

cc) Traf den Beklagten Ziff. 2 eine Verkehrssicherungspflicht, weil er vom Beklagten Ziff. 1 mit den Aufgaben eines Bademeisters betraut wurde, so hatte er am fraglichen Unfalltag auch dafür zu sorgen, dass nur eine Plattform zum Springen freigegeben wird. Dies hat er unstreitig nicht gemacht und damit gegen die ihn treffende Verkehrssicherungspflicht verstoßen.

dd) Im Übrigen gelten für die Haftung des Beklagten Ziff. 2 die gleichen Erwägungen wie beim Beklagten Ziff. 1. Insbesondere erscheint es nicht gerechtfertigt, im Rahmen des Mitverschuldens eine andere Quote festzusetzen als gegenüber dem Beklagten Ziff. 1. Die obigen Erwägungen treffen auf den Beklagten Ziff. 2 im gleichen Maße zu, denn auch der Beklagte Ziff. 2 hatte es in der Hand, die Gefahren des Sprungbetriebs durch eine entsprechende Organisation zu entschärfen.

6. Die Haftung des Beklagten Ziff. 2 lässt die Haftung des Beklagten Ziff. 1 nicht entfallen. Die beiden Beklagten haften gem. § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 97, 101 Abs. 1 ZPO. Zwar ist eine Kostenentscheidung im Grundurteil unzulässig. In der Berufungsentscheidung ist aber auch nach erstinstanzlichem Grundurteil über die Kosten des Berufungsverfahrens zu erkennen (Flockenhaus in Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 91 Rn. 3). Dies gilt auch, wenn ein Rechtsmittel gegen ein Grundurteil nur teilweise Erfolg hat (Jaspersen in Beck’scher Onlinekommentar ZPO, 24. Ed., Stand 1.3.2017, § 97 Rn. 13a).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit, die wegen der Kostenentscheidung notwendig ist, folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht.


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