Hinterbliebenengeld nach Mord im Rahmen von Adhäsionsverfahren und Nebenklage

12.03.2019 - Landgericht Bonn - Aktenzeichen 24 Ks 7/19

Landgericht Bonn

Urt. v. 03.12.2019, Az.: 24 Ks 7/19

eigene Zusammenfassung:

Das Gericht hatte einen Mordfall zu entscheiden, bei dem ein Kind der Nebenklägerin und Adhäsionsklägerin getötet wurde. Die Adhäsionsanträge richteten sich auf Hinterbliebenengeld. Vollkommen richtig wurde beantragt festzustellen, dass die zuzusprechenden Beträge aufgrund einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung begagen wurden, so dass die Schuld nicht im Rahmen einer Privatinsolvenz egalisiert werden konnte vgl. § 850f Abs. 2 ZPO.

Leider hat sich das Gericht wieder nur zu einer Entscheidung dem Grunde nach bemüßigt gefühlt, so dass die Hinterbliebenen einen weiteren für sie zu finanzierenden und erneutes Leid zufügenden Prozess führen müssen, um ihre Ansprüche auf Hinterbliebenengeld der Höhe nach konkret zugesprochen zu bekommen. Zeit, Geld und Leid, was sich die Hinterbliebenen sparen könnten.

Tenor

1. Der Angeklagte ist des Mordes schuldig. Er wird deswegen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.

2.

a. Auf den Adhäsionsantrag zu 1) wird der Angeklagte dem Grunde nach verurteilt, an die Adhäsionsklägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.11.2019 zu zahlen.

b. Auf den Adhäsionsantrag zu 2) wird festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem Mord vom 29.06.2019 künftig entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Anträge nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

c. Auf den Adhäsionsantrag zu 4) wird festgestellt, dass die Ansprüche der Adhäsionsklägerin aus den Adhäsionsanträgen zu 1) und 2) aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultieren.

d. Im Übrigen wird von einer Entscheidung über die gestellten Adhäsionsanträge abgesehen.

e. Die gerichtlichen Kosten und die notwendigen Auslagen der Adhäsionsklägerin im Adhäsionsverfahren trägt der Angeklagte.

f. Dieses Urteil ist – soweit darin über Adhäsionsanträge entschieden wurde – vorläufig vollstreckbar.

3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, die notwendigen Auslagen der Nebenkläger sowie seine eigenen Auslagen.

Gründe:

A. Keine Verständigung

Eine Verständigung im Sinne von § 257c StPO hat nicht stattgefunden.

B. Feststellungen

I. Feststellungen zur Person

II. Feststellungen zur Sache

1. Tatvorgeschehen

a) Nachdem der Angeklagte und die Nebenklägerin ihre Beziehung aufgenommen hatten, bewohnten sie zunächst eine gemeinsame Wohnung in der Fußgängerzone. Der Angeklagte war mit dieser Wohnsituation jedoch unzufrieden. Er hatte in der Vergangenheit stets in Einfamilienhäusern gelebt und strebte diese Wohnform auch nach Beginn der Beziehung zur Nebenklägerin an. Der Angeklagte und die Nebenklägerin kamen daher überein, ein Einfamilienhaus zu erwerben. Unter der Adresse Z fanden sie im Jahr 2009 eine geeignete Immobilie, welche sie für 160.000,00 € erwerben konnten. Aufgrund des vergleichsweise hohen Alters beider fanden sie allerdings keine Bank, die bereits gewesen wäre, einen solchen Kauf zu finanzieren. Der Angeklagte verfügte über 40.000,00 €, die Nebenklägerin aus einem Bausparvertrag über 30.000,00 €. Darüber hinaus nahmen der Angeklagte und Frau ein Privatdarlehen bei Verwandten auf, so dass für den Hauskauf rund 100.000,00 € und für die folgende Renovierung rund 40.000,00 € zur Verfügung standen. Die verbleibende Finanzierungslücke in Höhe von 60.000,00 € schlossen der Angeklagte und die Nebenklägerin über ein Bankdarlehen in dieser Höhe, welches die Tochter der Nebenklägerin, die spätere Geschädigte, in eigenem Namen aufnahm.

Als Käufer fungierten in Folge dessen die Nebenklägerin und die spätere Geschädigte. Sie erwarben die Immobilie zu je hälftigem Miteigentum. Der Angeklagte war damit einverstanden, dass er selbst nicht Miteigentümer werden sollte. Mit ihm wurde vereinbart, dass ihm ein lebenslanges Wohnrecht zustehen solle, wobei die Kammer nicht hat aufklären können, ob hiermit zum damaligen Zeitpunkt ein ins Grundbuch einzutragendes dingliches Wohnrecht in sachenrechtlichem Sinne gemeint war oder ein lediglich schuldrechtlich vereinbartes Wohnrecht, das zudem nur für die Zeit der Beziehung des Angeklagten und der Nebenklägerin gelten sollte. Wahrscheinlich ist, dass sich die Beteiligten über die genaue rechtliche Qualifikation und die Grenzen des ins Auge gefassten Wohnrechts keine hinreichenden Gedanken machten. Zur Eintragung eines dinglichen Wohnrechts zu Gunsten des Angeklagten im Grundbuch kam es jedenfalls nicht.

An der Gestaltung des Kaufs der Immobilie war die Geschädigte sowohl aufgrund ihrer geschäftlichen Erfahrung als auch aufgrund der ihr zugedachten Rolle als Miteigentümerin maßgeblich beteiligt.

Nach dem Erwerb der Immobilie nahmen der Angeklagte und eine Vielzahl von Verwandten der Nebenklägerin umfangreiche Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten an dem Haus vor. Auch in der Folgezeit arbeitete der Angeklagte regelmäßig an dem Haus.

Obwohl der Angeklagte in dem erworbenen Einfamilienhaus mit der Nebenklägerin als Paar zusammen lebte, zahlte er zeitweise an die spätere Geschädigte Miete in Höhe von 300,00 € pro Monat, wobei nicht auszuschließen ist, dass dies nur zum Schein erfolgte, damit die Geschädigte Ausgaben für das Haus steuerlich absetzen konnte.

b) Im Jahr 2015 kam es zu einer deutlichen Verschlechterung in der Beziehung des Angeklagten zu der Nebenklägerin. Insbesondere kam es zu Streitigkeiten wegen Geld. Der Angeklagte wollte in Frührente gehen, womit die Nebenklägerin nicht einverstanden war, da sie befürchtete, es könnte in Zukunft zu wenig Geld zum Leben zur Verfügung stehen. Ferner verdächtigte der Angeklagte die Nebenklägerin 7.000,00 € von einem gemeinsamen Konto durch Überweisung an die Geschädigte „bei Seite geschafft“ zu haben. Es kam zu einer Trennung. Nach drei Wochen versöhnten sich der Angeklagte und die Nebenklägerin jedoch wieder. In den folgenden Jahren kam es jedoch immer wieder zum Streit.

Am 15.03.2019 kam es zu einer erneuten Trennung des Angeklagten und der Nebenklägerin. Äußerer Anlass war ein Streit über die Gestaltung von Fußleisten im Eingangsbereich des Hauses. Zu einer Versöhnung kam es in der Folge nicht mehr.

In der Folge lebten der Angeklagte und die Nebenklägerin zunächst weiter nebeneinander her in dem Einfamilienhaus. Der Angeklagte war der Überzeugung, aufgrund des von ihm in den Erwerb und die Renovierung des Hauses eingebrachten Kapitals in Höhe von 40.000,00 € und der von ihm erbrachten Renovierungsarbeiten, stünde ihm eine Ausgleichszahlung in Höhe von 100.000,00 € zu. Die Nebenklägerin und die Geschädigte waren weder bereit noch in der Lage, eine solche Ausgleichszahlung zu leisten. Sie boten dem Angeklagten zunächst nur eine Ausgleichszahlung von 20.000,00 € an.

Zwischenzeitlich versuchte der Angeklagte von seinem Sohn, dem Zeugen 1, ein Privatdarlehen in Höhe von 100.000,00 € zu erhalten, um seinerseits zu versuchen, die Nebenklägerin auszuzahlen. Dieser war jedoch nicht in der Lage, dem Angeklagten ein solches Darlehen zu geben.

Um eine gütliche Auseinandersetzung zu erreichen, bot die spätere Geschädigte an, sich mit dem Angeklagten zusammen zu setzen, um genau auszurechnen, wer wie viel in das Haus investiert hat. Hierzu kam es jedoch letztlich nicht.

Im Rahmen der Auseinandersetzungen um das Haus kam es immer wieder zu Streit zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin. Im Rahmen dieser Streitigkeiten wurde der Angeklagte regelmäßig laut und bedachte die Nebenklägerin mit Schimpfworten. Zeitweise drohte er auch damit, die Nebenklägerin die Treppe herunter zu werfen oder das Haus anzuzünden. Die Drohungen des Angeklagten richteten sich jedoch zu keinem Zeitpunkt gegen die spätere Geschädigte.

Im April 2019 begann der Angeklagte über ein russisches Kontaktblatt nach einer neuen Lebensgefährtin zu suchen. In diesem Zusammenhang kam er auf die Idee, das Einfamilienhaus in zwei Wohnungen aufzuteilen. Eine Wohnung sollte nach seiner Vorstellung aus Erdgeschoss und Keller bestehen, die andere aus Obergeschoss und Dachgeschoss. Er forderte die Nebenklägerin auf, zu erklären, welche dieser Wohnungen sie haben wolle. Er kündigte an, mit einer jüngeren Frau einziehen zu wollen und erklärte, man werde dann schon sehen, wer das länger aushalte und wer die Nerven verliere.

Am 01.06.2019 verfasste der Angeklagte ein handschriftliches Testament. In diesem verfügte er, dass seine Enkel die Hälfte des Hauses erben sollten.

Mitte Juni 2019 kam es zu einem Treffen des Angeklagten mit der Geschädigten. Deren Absicht war es, wie angekündigt mit dem Angeklagten auszurechnen, in welcher Höhe ihm ein Ausgleichsanspruch tatsächlich zustand. Der Angeklagte war an einer solchen Berechnung jedoch nicht interessiert. Er erklärte, nunmehr, in dem Haus wohnen bleiben zu wollen. Die Geschädigte bot dem Angeklagten eine Ausgleichszahlung von 50.000,00 € an und machte dem Angeklagten klar, dass ihm keine Rechte an dem Haus zustehen würden, sowie dass er „rausgeschmissen“ werden könne. Auch hierdurch ließ sich der Angeklagte jedoch nicht von seiner Ansicht abbringen. Während des Gesprächs blieb er ruhig. Es gelang ihm sein aufbrausendes Gemüt in Schach zu halten.

Nach dem Scheitern dieses Vermittlungsversuchs ging die spätere Geschädigte zu einem Anwalt und beauftragte diesen, den Angeklagten im Namen der Nebenklägerin zur Räumung des Einfamilienhauses aufzufordern.

Am 26.06.2019, einem Mittwoch, telefoniert der Angeklagte mit seiner Tochter und einem Enkel. Auf Nachfrage des Enkels, wann er denn mal wieder zu Besuch käme, erklärt der Angeklagte spontan und ohne Absprache mit seiner Tochter, am bevorstehenden Wochenende vorbei zu kommen. Hierfür sagte er ein eigentlich für das Wochenende geplantes Treffen mit dem Zeugen 2 ab.

Am 27.06.2019 kam es zu einem Streitgespräch zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger. Auch im Rahmen dieses Gesprächs konnte jedoch keine Einigung erzielt werden. Der Angeklagte war nicht bereit, sich mit den ihm angebotenen 50.000,00 € abzufinden.

Am Freitag, dem 28.06.2019 wurde dem Angeklagten ein Anwaltsschreiben zugestellt. In dem Schreiben wurde er unter Androhung gerichtlicher Schritte aufgefordert, binnen drei Wochen aus dem Haus auszuziehen. In dem Schreiben wies ihn der Anwalt darauf hin, dass ein Wohnrecht nicht existiere und die Nebenklägerin und die spätere Geschädigte alleinige Eigentümer der Immobilie seien. Ihm selbst stehe kein Nutzungsrecht zu.

Ferner wurde dem Angeklagten mit dem Schreiben vorgeworfen, die Nebenklägerin am 26.06.2019 beleidigt zu haben, indem er sie auf Russisch als „Schlampe“ und „letzte Ratte“ bezeichnet habe. Diesbezüglich wurde die Abgabe einer Unterlassungserklärung verlangt. Ferner wurde er zur Begleichung der Anwaltskosten für die Aufforderung zur Abgabe der Unterlassungserklärung in Höhe von 492,54 € aufgefordert.

Der Angeklagte kommentierte das Schreiben gegenüber der Nebenklägerin zunächst nicht und fuhr stattdessen wie geplant nach G, um dort seine Tochter und seine Enkel zu besuchen. Dort bat er seine Tochter ihm das anwaltliche Schreiben zu „übersetzen“. Hintergrund war, dass der Angeklagte zwar fließend Deutsch spricht und die deutsche Sprache auch lesen kann, aber Schwierigkeit hat behördliche Schreiben oder andere rechtliche Formulierungen zu verstehen. Seine Tochter erklärte ihm deshalb den Inhalt. Der Angeklagte nahm diesen zur Kenntnis und äußerte aber gegenüber seiner Tochter die Absicht, zu seiner Schwester zu ziehen. Eine Intention, gegenüber der Nebenklägerin oder der Geschädigten gewalttätig werden zu wollen, ließ er nicht erkennen.

Ferner bat der Angeklagte seine Tochter, sich in sein Online-Banking Konto einzuloggen, um den Kontostand abzurufen. Dieser betrug etwa 15.000,00 €. Auf Bitten des Angeklagten überwies die Tochter jeweils 5.000,00 € auf die Konten der drei Enkel des Angeklagten. Als die Tochter Bedenken hiergegen äußerte, erklärte der Angeklagte, er habe das Geld für ein neues Auto gespart gehabt. Ein solches brauche er jetzt jedoch nicht mehr, da er zu seiner Schwester ziehe. Dies akzeptierte die Zeugin.

Am nächsten Morgen, Samstag, den 19.06.2019, frühstückte der Angeklagte mit seiner Tochter und seinen Enkeln. Anschließend spielte er mit den Enkeln, erklärte aber auch, früh zurückfahren zu wollen, da die Klimaanlage in seinem Auto defekt sei. Der Angeklagte besprach mit seiner Tochter noch, dass er ihre Familie in der kommenden Woche erneut besuchen wolle, um Werkzeug und Sachen, die er aus dem Haus räumen müsse, dorthin zu bringen.

Als der Angeklagte im Haus angekommen war, versuchte er vom Festnetzanschluss des Hauses aus, seine Tochter telefonisch zu erreichen. Dies gelang ihm jedoch nicht. Da er nichts zu essen vorfand, entschloss er sich, einkaufen zu fahren. Im Zuge dessen erwarb er einen Kasten Bier und Grillwürstchen.

Die Nebenklägerin war von der frühen Rückkehr des Angeklagten überrascht. Sie hatte ihn erst für den nächsten Tag, den Sonntag, zurück erwartet. Sie beabsichtigte den Tag mit ihrer Tochter, der Geschädigten verbringen. Insbesondere war geplant, gemeinsam auf den Friedhof zu fahren, um das Grab des verstorbenen Ehemanns der Nebenklägerin und Vaters der Geschädigten zu besuchen. Anschließend sollte die Geschädigte die Nebenklägerin zu deren Schwester bringen, wo die Nebenklägerin im Hinblick auf ihr angespanntes Verhältnis zum Angeklagten übernachten wollte.

Um 12:30 Uhr rief die Tochter des Angeklagten auf dem Festnetzanschluss zurück. Die Nebenklägerin ging an das Telefon und erklärte auf Nachfrage, der Angeklagte sei nicht da. Da sie den Angeklagten nicht vor Sonntag zurück erwartet hatte, fragt sie der Tochter des Angeklagten, warum ihr Vater schon zurück sei. Die Zeugin berichtete von den Gesprächen mit ihrem Vater und erwiderte, dass der Angeklagte halt Sachen abholen wolle, um diese zu seiner Schwester zu schaffen.

Als die Geschädigte an dem Einfamilienhaus eintraf, gingen beide Frauen in den Garten des Hauses, um vor ihrem Besuch auf dem Friedhof noch die in zwei Gewächshäusern angebauten Gurken zu gießen.

Als der Angeklagte vom Einkaufen zurückkam, trank er zwei Flaschen Bier und briet sich die erworbenen Grillwürstchen in einer Pfanne in der Küche. Eine weitere Flasche Bier öffnete er, trank von dieser aber nur eine geringe Menge. Als Beilage zu den Würstchen wollte er Gurken essen und ging daher in den Garten, um sich dort welche zu holen.

2. Tatgeschehen

Das Grundstück ist 645 m² groß und von länglicher, sich trapezartig in den hinteren Bereich verjüngender Form. Etwa 20 Meter hinter dem im vorderen Bereich befindlichen Einfamilienhaus befindet sich ein Gartenhaus aus Holz. Hinter diesem Gartenhaus befinden sich zwei Gewächshäuser; auf der rechten Seite ein größeres mit einer Außenhaut aus Plexiglas und auf der linken Seite ein kleineres mit einer Folienbespannung.

Zur Tatzeit befand sich die Nebenklägerin in dem größeren Gewächshaus und goss dort die vorhandenen Pflanzen. Die Geschädigte befand sich in dem kleineren Gewächshaus und goss die dortigen Pflanzen.

Der Angeklagte trat an das größere Gewächshaus heran, um sich Gurken zu holen. Die Nebenklägerin hatte während des Gießens bereits einige reife Gurken abgeerntet und in einen Eimer am Eingang des Gewächshauses gelegt. Als sie den Angeklagten bemerkte, sagte sie zu diesem, wenn er Gurken wolle, könne er sich gerne welche aus dem Eimer nehmen. Der Angeklagte kam dem wortlos nach und ging wieder in das Haus. Während des Zusammentreffens mit der Nebenklägerin hatte er gesehen, dass die Geschädigte sich um die Pflanzen im angrenzenden kleineren Gewächshaus kümmerte.

Als der Angeklagte wieder in der Küche angekommen war, nahm er aus einer Küchenschublade ein großes Küchenmesser mit einer etwa 20 cm langen Klinge. Spätestens zu diesem Zeitpunkt entschloss er sich spontan, die Geschädigte mit diesem Küchenmesser zu töten. Er verließ daraufhin wieder das Haus und ging in den hinteren Bereich des Grundstücks. Er trat an das kleine Gewächshaus heran, in dem die Geschädigte weiterhin mit der Versorgung der Pflanzen beschäftigt war. Hierbei hielt er das mitgeführte Küchenmesser in seiner rechten Hand. Damit die die Geschädigte dieses nicht sehen konnte, hielt er seine Hand mit dem Messer hinter seinem Rücken versteckt. Die Geschädigte versah sich keines Angriffs auf ihr Leben, da der Angeklagte in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt ihr gegenüber gewalttätig geworden war und ihr gegenüber auch keine Drohungen ausgesprochen hatte. Infolge ihrer Arglosigkeit war sie wehrlos. Sie hatte weder Gegenstände zu ihrer Verteidigung zur Hand, noch war es ihr möglich, aus dem Gewächshaus zu fliehen, da dieses nur über einen einzigen Ein- bzw. Ausgang verfügte.

Nicht ausschließbar bemerkte die Geschädigte den Angeklagten, als dieser an das Gewächshaus herantrat und fragte ihn sinngemäß, was er denn wolle. Ohne etwas zu sagen, nahm der Angeklagte seine rechte Hand nach vorn und begann mit dem mitgeführten Küchenmesser mit erheblicher Wucht auf die Geschädigte einzustechen. Hierbei handelte er in Tötungsabsicht und war sich der Örtlichkeit und der überraschenden Natur seines Angriffs, sowie der daraus resultierenden Arg- und Wehrlosigkeit der Geschädigten bewusst.

Als die Geschädigten sich des Angriffs des Angeklagten bewusst wurde, begann sie zu schreien. Gleichzeitig versuchte sie, das Messer des Angeklagten abzuwehren und griff hierbei auch in die Klinge des Messers. Durch das Schreien der Geschädigten wurde die weiterhin im anderen Gewächshaus befindliche Nebenklägerin auf das Geschehen aufmerksam und eilte zu dem kleinen Gewächshaus. Sie versuchte den Kläger von weiteren Stichen auf die Geschädigte abzuhalten, indem sie diesen am Arm festhielt. Der körperlich deutlich überlegene Angeklagte schüttelte sie jedoch ab und warf sie hierbei zu Boden. Dann trat er erneut an die inzwischen im hinteren Bereich des kleinen Gewächshauses am Boden liegende Geschädigte heran und verpasste ihr einen Stich in Hals. Die Geschädigte, die vorher noch nach ihrer Mutter gerufen hatte, verstummte daraufhin.

Durch die Stiche des Angeklagten erlitt die Geschädigte die folgenden Verletzungen:

1. Eine ca. 10 cm lange klaffende Stich-/Schnittverletzung an der linken Halsvorderseite mit Anstich der rechten Halsschlagader.

2. Eine kurzstreckige, im Unterhautgewebe endende Stichwunde über dem linken Schlüsselbein.

3. Eine kurzstreckige im Unterhautgewebe endende Stich- /Schnittverletzung  am vorderen Ende der linken Achselfalte.

4. Ein oberflächlicher Anstich der Haut oberhalb der linken Brustwarze.

5. Eine 4,5 cm lange Stichwunde am linken oberen Rücken mit Durchtrennung der 6. Rippe und Anschnitt der darüber und daruntergelegenen Rippe sowie Anschnitt des Schulterblattes, wobei der linke Lungenunterlappen und korrespondierend der linke Lungenoberlappen durchstochen wurden und der Stichkanal eine Länge von ca. 18 cm aufwies.

6. Eine 4 cm lange Stichwunde am rechten oberen Rücken mit Durchtrennung der 8. Rippe und Anschnitt des Querfortsatzes des darüber liegenden  Wirbelkörpers, wobei die Rückseite des rechten Lungenunterlappens angestochen wurde und der Stichkanal eine Länge von 5 cm aufwies.

Daneben erlitt die Geschädigte erhebliche Abwehrverletzungen an den Händen, insbesondere in Form von tiefgehenden Schnittverletzungen an den Handflächen. Sie verstarb innerhalb kurzer Zeit infolge inneren und äußeren Verblutens, wobei die beiden Stichverletzungen in den Rücken und die Stichverletzung in den Hals für sich genommen bereits jeweils tödlich waren.

In welcher Reihenfolge der Angeklagte der Geschädigten die Verletzungen zufügte, hat die Kammer nicht feststellen können, mit Ausnahme des Stiches Nr. 1 in die linke Halsvorderseite. Dieser bildete den Abschluss der Tathandlungen.

Nach dem letzten Stich in den Hals der am Boden liegenden Geschädigten trat der Angeklagte an die weiter am Boden liegende Nebenklägerin heran, drückte diese zu Boden und erklärte sinngemäß, er werde ihr nichts tun, jetzt werde sie in dem Haus ihres Lebens nicht mehr froh.

Durch die Schreie der Geschädigten war eine Nachbarin auf das Geschehen aufmerksam geworden. Sie hatte zuvor in ihrem Garten an einem Teich gesessen und ihren Fuß gekühlt. Gegen 13:02 Uhr hörte sie Schreie vom Nachbargrundstück. Sie ging sofort davon aus, dass es sich um Schreie der Nebenklägerin handeln müsse. Diese hatte sie Anfang des Jahres ins Vertrauen gezogen und sie gebeten, sofort die Polizei zu rufen, wenn sie Hilferufe von ihrem Grundstück vernehmen würde. Die Nebenklägerin befürchtete nämlich aufgrund der Trennung und des Streits um das Haus einen Angriff gegen ihre körperliche Unversehrtheit.

Die Zeugin reagierte daher unmittelbar auf die Schreie vom Nachbargrundstück. Sie begab sich in die Mitte ihres Grundstücks und rief laut, dass sie jetzt die Polizei rufe. Dann eilte sie ins Haus und wählte den Notruf. Als man ihr versicherte, Polizei und Rettungswagen seien unterwegs, ging sie wieder in ihren Garten und verkündete laut, dass sie die Polizei gerufen habe. Dann begab sie sich vor das Grundstück der Nebenklägerin, um den eintreffenden Rettungskräften den Weg zu weisen. Da kam ihr der Angeklagte aus dem Gartentor des Grundstücks entgegen. Dabei machte er auf die Zeugin einen ruhigen und gelassenen Eindruck. Die Zeugin rief dem Angeklagten zu, er brauche gar nicht „abhauen“, die Polizei sei jeden Moment da. Darauf entgegnete der Angeklagte sinngemäß, er fahre jetzt selber zur Polizei, setzte sich in sein Auto und fuhr fort.

Der Angeklagte war bei der Begehung der Tat uneingeschränkt schuldfähig, d.h. er war sich des Unrechts der Tat bewusst (Einsichtsfähigkeit) und konnte sich uneingeschränkt entsprechend dieser Einsicht steuern (Steuerungsfähigkeit).

3. Nachtatgeschehen

Der von der Zeugin verständigte Rettungsdienst traf um 13:11 Uhr am Tatort ein. Bemühungen, das Leben der Geschädigten zu retten, blieben ohne Erfolg. Um 13:24 Uhr stellte der Notarzt den Tod der Geschädigten fest.

Der Angeklagte fuhr, nachdem er den Tatort verlassen hatte, direkt zur Polizeiwache. Dort stellt er sich um 13:15 Uhr. Hierzu legte er in der Eingangsschleuse beide Arme auf die dortige Theke und erklärte dem anwesenden Polizeibeamten er habe gerade seine Schwiegertochter getötet. Daraufhin wurde er festgenommen.

Eine Alkoholisierung des Angeklagten bemerkte der Zeuge nicht. Ein um 13:45 Uhr vorgenommener Atemalkoholtest ergab eine Alkoholisierung von 0,3 mg/l. Eine um 14:22 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 0,54 ‰.

Am 29.06.2019 führte die im Verfahren als Sachverständige vernommene Dr. vom Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums eine Obduktion der Geschädigten durch.

4. Tatfolgen

In Folge der Tat leidet die Nebenklägerin unter erheblichen psychischen Beeinträchtigungen. Sie befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung und hat Probleme in den Schlaf zu finden. Sie berichtet von Alpträumen, in denen häufig der Angeklagte und ihre Tochter, die Geschädigte, bei ihr am Bett stehen. Die Nebenklägerin wohnt derzeit weiterhin in dem Einfamilienhaus. Zu ihrer Unterstützung wohnt jedoch derzeit ihr Sohn mit ihr in diesem Haus. Ein Abschluss der psychotherapeutischen Behandlung der Nebenklägerin ist derzeit noch nicht absehbar.

Der Nebenkläger, der Ehemann der Geschädigten, ist seit der Tat arbeitsunfähig. Er musste das von ihm zuvor ausgeübte selbständige Gewerbe aufgeben. Auch er befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung. Ein Abschluss der Behandlung ist noch nicht absehbar.

5. Verfahrensgang

Die Nebenklägerin hat in der Sitzung vom 26.11.2019 (3. Hauptverhandlungstag), unmittelbar vor Schließung der Beweisaufnahme, die folgenden Adhäsionsanträge gestellt.

1. Der Angeklagte wird verurteilt, an die Adhäsionsklägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin sämtliche materiellen sowie immateriellen Schäden, die aus dem Mord vom 29.06.2019 künftig entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Anträge nicht auf Sozialversicherungsträger, Versorgungsamt, Krankenkasse oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

3. Der Angeklagte wird verurteilt, an die Adhäsionsklägerin ein angemessenes Hinterbliebenengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass der Anspruch der Adhäsionsklägerin aus den Adhäsionsanträgen zu 1.), 2.) und 3.) aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultiert.

Die Verteidigerin des Angeklagten nahm die Antragsschrift im Rahmen der Hauptverhandlung als zugestellt entgegen. Die ihr gewährte Gelegenheit zur Stellungnahme nahm sie nicht wahr.

B. Beweiswürdigung

I. Einlassung des Angeklagten

Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung, bis auf die später noch darzustellenden Abweichungen, im Wesentlichen den Feststellungen entsprechend eingelassen. Er hat sich ausführlich zu seiner Person und zu seinem Werdegang geäußert und die Tat gleich zu Beginn der Hauptverhandlung in ihrem Kerngeschehen eingeräumt.

In einer späteren, detaillierteren Einlassung hat der Angeklagte zur Vorgeschichte der Tat angegeben, er habe die Nebenklägerin im Jahr 2005 kennengelernt durch seinen Bekannten. Man sei dann schnell zusammen gekommen. Ihm habe es aber nicht gefallen, mit seiner Partnerin in einer Wohnung zu leben. Er habe schon immer in Häusern gelebt, sein ganzes Leben lang. Man habe sich daher entschlossen, ein Haus zu kaufen. Er habe nach dem Tod seiner Frau Geld gehabt. Viele Verwandte hätten etwas gegeben, auch seine Mutter. Nach dem Tod seiner Frau habe es Streit mit den Kindern gegeben. Er sei dann weggezogen und habe das Familienhaus den Kindern überlassen.

Er habe 40.000,00 € gehabt. Hinzu seien 30.000,00 € gekommen, die die Nebenklägerin aus einem Bausparvertrag gehabt habe. Den Rest habe man sich erarbeitet. Bevor sie das Haus gekauft hätten, hätten sie 100.000,00 € gehabt. Man habe hierzu Kredite bei Verwandten aufgenommen. Hinzu sei ein Bankkredit gekommen, den die Geschädigte für den Hauskauf aufgenommen habe.

Er selbst habe bei dem Sohn der Nebenklägerin gearbeitet, teilweise 12 – 15 Stunden am Tag. Die übrige Zeit habe er an dem Haus gearbeitet.

Vor vier Jahren habe er zur Nebenklägerin gesagt, dass er in Frührente gehen wolle. Diese habe dann rumgejammert, es sei dann zu wenig Geld da. Er habe aber in seinem Leben schon vier Häuser gekauft und hergerichtet. Er sei müde gewesen. Auch habe er die Nebenklägerin erwischt, wie sie 7.000,00 € an die Geschädigte überwiesen habe. Er habe sie mehrmals erwischt, wie sie Geld beiseite geschafft habe.

Die Geschädigte habe auch Steuern hinterzogen. Er habe ihr monatlich 300,00 € als Miete für das Haus überwiesen. Das Geld habe die Geschädigte aber immer in bar wieder vorbei gebracht. Das Ganze sei etwa 14 – 15 Monate so gegangen. Dann habe die Geschädigte aber erklärt, das sei zu viel Papieraufwand. Es würde sich nicht lohnen.

Ab Februar 2019 habe er mit der Nebenklägerin nicht mehr als Paar zusammen gelebt. Er habe nicht mehr mit ihr Leben wollen wegen des Misstrauens, dass er ihr gegenüber entwickelt habe. Er habe ausbezahlt werden wollen und habe 100.000,00 € verlangt. 40.000,00 € habe er selbst eingebracht und 60.000,00 € seien für die Arbeit gewesen, die er an dem Haus geleistet habe. Die Geschädigte sei erst einverstanden gewesen. Dann sei es hin und her gegangen, auch mit Drohungen. So habe es einen lauten Streit mit dem Sohn der Nebenkläger gegeben, in dessen Verlauf dieser sein Handy herausgenommen habe, um den Streit aufzuzeichnen, um sein aufbrausendes Temperament später gegen ihn zu verwenden.

Die Nebenklägerin habe ihm nur 20.000,00 € angeboten und ihm im Übrigen gesagt, er solle sich von hier „verpissen“.

Später habe ihm die Geschädigte  50.000,00 € angeboten und ihm damit gedroht, er könne Ansprüche aus dem Hauskauf ohnehin nicht beweisen. Sie habe sinngemäß gesagt, wenn er die 50.000,00 € nicht nehme, schmeiße sie ihn „hochkant“ raus und er bekomme keinen Cent.

Während er bei dem Sohn der Nebenklägerin angestellt gewesen sei, habe er offiziell immer nur 450,00 € verdient. Tatsächlich habe er aber 750,00 – 800,00 € erhalten. Auch habe er für die Geschädigte und ihren Mann gearbeitet und nichts dafür bekommen. In diesem Zusammenhang habe es nur geheißen, es bleibe ja alles in der Familie. Auch vor diesem Hintergrund habe er sich ausgenutzt gefühlt, als ihm der seiner Meinung nach zustehende Betrag von 100.000,00 € verweigert worden sei.

Ursprünglich hätten er selbst und die Nebenklägerin Eigentümer des Hauses werden sollen. Die Geschädigte habe aber Steuern sparen wollen. Es sei daher vereinbart worden, dass die Geschädigte das Haus bekomme. Ihm sei in diesem Zusammenhang aber ein lebenslanges Wohnrecht versprochen worden. Er habe gar nicht gewusst, dass er nicht in den Papieren stehe.

Schließlich hat sich der Angeklagte in einer weiteren, ergänzenden Einlassung auch zum Tatkerngeschehen näher geäußert. Ferner ergänzte er hierbei seine Angaben zum Tatvorgeschehen und zu seiner Motivation. Hierbei erklärte er, seine Einlassung bei der Polizei sei nicht vollständig richtig gewesen. Er habe unter Schock gestanden. Er habe die Geschädigte nicht von hinten angegriffen sondern von vorne. Als er an den Eingang des Gewächshauses getreten sei, habe die Geschädigte seitlich zu ihm gestanden. Sie habe ihn dann bemerkt und ihn angeschrien: „Was willst Du von mir?“. Erst dann habe er auf sie eingestochen. Dann sei die Nebenklägerin gekommen und habe ihn in den Schwitzkasten genommen. Zu dritt sei man dann auf den Boden gefallen. Dabei habe er weiter auf die Geschädigte eingestochen. Wohin wisse er nicht genau.

Er habe immer alles gemacht und es habe geheißen, es bleibe doch alles in der Familie. Die Miete habe er nicht, wie im Verfahren behauptetet worden sei, vier Jahre lang bezahlt, sondern nur für 14-15 Monate. Auch wisse er bis heute nicht, warum die Nebenklägerin an die Geschädigte 7.000,00 € überwiesen habe. Er habe so viel am Haus gearbeitet, 12-14 Stunden gearbeitet und den Garten schön gemacht.

Er wisse, dass er Mist gemacht habe. Er habe nicht als Bettler enden wollen und habe ja auch nicht viel verlangt. Er habe 14 Jahre lang gearbeitet und dafür habe er nur 60.000,00 € haben wollen. Die Schulden, die für das Haus aufgenommen worden seien, seien von der Nebenklägerin und ihm zurückgezahlt worden. Er sehe bei sich eine 99-prozentige Schuld am Geschehen.

Auf erneute Nachfrage zum Kerngeschehen der Tat erklärte er, er habe das Messer hinter seinen Rücken gehalten, als er auf das kleine Gewächshaus zugetreten sei. Die Geschädigte habe ihn dann angeschrien: „Was willst Du von mir?“ und sei auf ihn zugekommen. Dann habe er mit dem Messer zugestochen. Die Geschädigte sei zunächst ausgewichen, so sei es zu der Stichwunde im Nacken der Geschädigten gekommen.

Vorher habe er mit der Geschädigten nie gekämpft. Das Verhältnis sei viel mehr durch Freundlichkeit geprägt gewesen. Küsschen links, Küsschen rechts.

Auf Nachfrage, warum er die Geschädigte angegriffen habe und nicht die Nebenklägerin, erklärte er, er habe sie geliebt. Daher habe er ihr nichts tun können. Er habe nicht nachgedacht und im Affekt gehandelt. Er sei wütend über die Geschädigte gewesen, da diese ja beim Kauf das mit den Papieren gemacht habe.

Wäre die Geschädigte nicht am Tattag vor Ort gewesen, wäre auch nichts passiert. Eigentlich habe er seien Sachen packen und gehen wollen. Den Streit um das Haus habe er eigentlich vor Gericht bringen wollen.

Auf Nachfrage, warum er das Testament erstellt habe, erklärte der Angeklagte, das Testament vom 01.06.2019 habe er gemacht, weil der Sohn der Nebenklägerin ihm gedroht habe. Dieser habe gesagte, er bringe ihn um.

Auf Nachfrage, wann er erfahren habe, dass er nicht im Grundbuch stehe erklärte der Angeklagte, er habe dies am 29.05.2019 erfahren.

Auf entsprechenden Vorhalt erklärte der Angeklagte schließlich, es könne sein, dass er nach der Tat sinngemäß gesagt habe: „Jetzt hast Du das Haus, glücklich wirst du darin aber nicht mehr“.

II. Feststellungen zur Person

Die zur Person des Angeklagten getroffenen Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf dessen insoweit glaubhafter Einlassung, im Umfang der Feststellungen teilweise ergänzt und bestätigt durch die Angaben der Schwester des Angeklagten.

Der Angeklagte hat seinen Lebenslauf wie festgestellt geschildert. Die Schwester des Angeklagten hat bestätigt, dass der Angeklagte als junger Mann wegen eines körperlichen Angriffs auf einen Mann, der sie angegriffen habe, verurteilt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei der Angeklagte etwa 20 Jahre alt gewesen. Ferner berichtete auch sie vom Tod der zweiten Ehefrau des Angeklagten im Jahr 2001. Dem Zerwürfnis mit seinen Kindern habe zu Grunde gelegen, dass die Kinder Freiheit gewollt hätten.

Die Angaben des Angeklagten zum Beginn seiner Beziehung zur Nebenklägerin und dessen Aufnahme in die Familie der Nebenklägerin werden bestätigt durch die Angaben ihres Sohnes und dem Ehemann der Geschädigten.

Die Feststellungen zum Charakter des Angeklagten beruhen zum einen auf der Einlassung des Angeklagten, der sich selbst als aufbrausend bezeichnete und zum anderen auf den Angaben der Nebenklägerin, die – wie festgestellt – geschildert hat, dass der Angeklagte gegenüber Nachbarn, Falschparkern und auf Ämtern sehr laut werden konnte, die aber auch bestätigte, dass derartiges im Verhältnis des Angeklagten zur Geschädigten nicht vorkam.

III. Feststellungen zur Sache

1. Tatvorgeschehen

Die Feststellungen zum Tatvorgeschehen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, ergänzt und bestätigt durch die Aussagen der Nebenklägerin, ihrem Sohn und dem Ehemann der Geschädigten.

Sowohl der Angeklagte als auch die Nebenklägerin berichteten, zunächst für rund 10 Jahre eine gute Beziehung geführt zu haben. Beide berichteten zudem übereinstimmend, dass man sich gemeinsam entschloss, das Haus zu erwerben, wobei auch die Umstände des Hauskaufes, die Finanzierung und die rechtliche Gestaltung im Kerngeschehen übereinstimmend wie festgestellt geschildert wurden. Insbesondere bestätigte auch die Nebenklägerin, dass der Angeklagte 40.000,00 € in Hauskauf und Renovierung einbrachte. Gleichzeitig räumt der Angeklagte ein, dass er damit einverstanden war, dass die Geschädigte und nicht er (Mit-)Eigentümerin des Hauses werden solle.

Schließlich schilderten sowohl der Angeklagte als auch die Nebenklägerin übereinstimmend, dass dem Angeklagten nach den Vorstellungen beider beim Kauf des Hauses ein lebenslanges Wohnrecht zustehen solle. Nicht feststellen konnte die Kammer hingegen, was sich die Parteien darunter genau vorstellten und ob insoweit Einigkeit überhaupt erzielt wurde.

Die Feststellungen zu der ab dem Jahr 2015 aufgetretenen Verschlechterung in der Beziehung des Angeklagten mit der Nebenklägerin beruhen ebenso auf der Einlassung des Angeklagten, bestätigt durch die Angaben der Nebenklägerin. Beide berichteten übereinstimmend von der vorübergehenden Trennung im Jahr 2015. Ebenso berichteten Sie übereinstimmend von der endgültigen Trennung am 15.03.2019.

Die Feststellungen zu der Auseinandersetzung über vom Angeklagten nach der Trennung hinsichtlich des Hauses geltend gemachten Anspruch beruhen ebenso auf der Einlassung des Angeklagten, welche im Umfang der Feststellungen durch die Aussagen der Nebenklägerin, dem Sohn der Nebenklägerin und dem Ehemann der Geschädigten bestätigt werden. So haben der Angeklagte und die Nebenkläger insbesondere übereinstimmend berichtet, dass der Angeklagte für seinen Kapital- und seinen Arbeitseinsatz eine Ausgleichszahlung von 100.000,00 € forderte, und dass ihm zunächst nur 20.000,00 €, später 50.000,00 € angeboten wurden. Ferner wurde übereinstimmend bekundet, dass die Geschädigte vermitteln wollte und dem Angeklagten angeboten hatte, anhand der vorhandenen Unterlagen gemeinsam auszurechnen, was ihm fairerweise zustehen würde. Ebenso berichteten der Angeklagte und die Nebenkläger übereinstimmend, dass der Angeklagte zuletzt eine Ausgleichszahlung ablehnte und der Nebenklägerin, eine Aufteilung des Hauses vorschlug. Soweit die Kammer in diesem Zusammenhang festgestellt hat, dass der Angeklagte der Nebenklägerin ankündigte in „seine Hälfte“ des Hauses mit einer jüngeren Frau einziehen zu wollen; man werde schon sehen, wer das länger aushalte, beruht dies auf der Aussage der Nebenklägerin, die entsprechendes glaubhaft bekundete.

Die Feststellungen zu den Drohungen und Beleidigungen, die der Angeklagte gegenüber der Nebenklägerin ausgesprochen hat, beruhen auf den Zeugenaussagen der Nebenklägerin und der Sohn der Nebenklägerin welche übereinstimmend entsprechendes geschildert haben. Zudem hat der Zeuge bekundet, dass der Angeklagte ihm gegenüber die Überlegung geäußert hat, das Haus abzufackeln.

Dass der Angeklagte gegenüber dr Geschädigten nie derart ausfällig geworden ist, steht fest aufgrund der entsprechenden Einlassung des Angeklagten, welche durch die Angaben der Nebenklägerin und ihrem Sohn bestätigt wurden.

Die Feststellungen zu dem Anwaltsschreiben an den Angeklagten mit der Aufforderung, auszuziehen, beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, den Angaben der Nebenklägerin, sowie auf der Verlesung dieses Anwaltsschreibens.

Die Feststellungen zum Besuch des Angeklagten beruhen auf der Einlassung des Angeklagten und der Aussage der Nebenklägerin, die entsprechende Angaben der Tochter des Angeklagten in einem Telefonat mit ihr bestätigt hat.

Die Feststellungen zu der Ankunft des Angeklagten am Tattage und zu dessen Einkauf beruhen auf der Einlassung des Angeklagten. Soweit die Kammer festgestellt hat, dass der Angeklagte einen Kasten Bier gekauft hat, von dem er zwei Flaschen ausgetrunken und von einer Flasche ein wenig getrunken hat, wird dies bestätigt durch die in Augenschein genommenen Lichtbilder von der Küche des Einfamilienhauses, die einen fast vollen Bierkasten mit zwei leeren Flaschen und einer fehlenden Flasche zeigen, sowie eine auf einem Küchentresen befindliche, lediglich angetrunkene dritte Flasche.

Die Feststellungen zum Telefongespräch der Nebenklägerin mit der Tochter des Angeklagten beruhen auf den glaubhaften Angaben der Nebenklägerin.

2. Tatgeschehen

Die Feststellungen zum unmittelbaren Tatgeschehen hat die Kammer aufgrund der Einlassung des Angeklagten, soweit dieser gefolgt werden konnte, der Gesamtschau der Zeugenaussagen, des objektiven Spuren- und Verletzungsbefundes des Opfers und der weiteren Beweismittel getroffen. Hierzu im Einzelnen:

a)

Die Feststellungen zu den Verhältnissen auf dem Grundstück beruhen auf der Vernehmung des Zeugen, der als Kriminalbeamter den Tatort aufgenommen hat und die örtlichen Verhältnisse wie festgestellt geschildert hat. Die Angaben des Zeugen wurden zudem gestützt durch die Verlesung des Grundbuchauszuges, der auszugsweisen Verlesung des Tatortbefundberichts und der Inaugenscheinnahme der in diesem enthaltenen Lichtbilder und der enthaltenen grafischen Darstellungen des Grundstücks.

b)

Die Feststellungen zu den näheren Umständen der Tat beruhen auf der Einlassung des Angeklagten und der Aussage der Nebenklägerin, welche die Tat zumindest teilweise aus nächster Nähe miterlebt hat.

Soweit der Angeklagte sich dahingehend eingelassen hat, er habe sich spontan zu der Tat entschlossen, als er das Messer zu anderen Zwecken aus der Küchenschublade entnommen hat, ist die Kammer dem im Rahmen der Feststellungen gefolgt. Insbesondere sprechen die Beweisergebnisse gegen die Annahme, der Angeklagte habe eine Gewalttat gegen die Geschädigte über einen längeren Zeitraum geplant. Für eine solche Annahme spricht zwar, dass der Angeklagte während seines Besuches, unmittelbar vor der Tat, sein ganzes gespartes Geld weggeben hat. Gegen die Annahme einer geplanten Tat spricht jedoch, dass der Angeklagten gar nicht wissen konnte, dass die Geschädigte am Tattag auf das Grundstück kommen würde. Zudem hat sowohl gegenüber seiner Tochter, als auch gegenüber seiner Schwester angegeben, zu seiner Schwester ziehen zu wollen. Hierzu hat er auch konkrete Vorbereitungen getroffen. Indiziell gegen die Annahme einer geplanten Tat spricht zudem, dass er am Tattag einen Kasten Bier gekauft hat. Hätte er zu diesem Zeitpunkt schon vorgehabt, zeitnah die Geschädigte zu töten oder eine andere Gewalttat zu begehen und sich anschließend zu stellen, hätte weder die mit dem Kauf des Kastens verbundene Ausgabe Sinn ergeben, noch hätte der Angeklagte bei verständiger Würdigung die körperliche Anstrengung, die mit dem Transport eines solchen Kasten verbunden ist, auf sich genommen.

Soweit der Angeklagte sich hingegen dahingehend eingelassen hat, die Nebenklägerin habe ihn in den Schwitzkasten genommen, man sei dann zu dritt zu Boden gefallen und er habe dann nicht genau sehen können, wohin er steche, vermochte die Kammer dem nicht zu folgen.

Die entsprechende Einlassung des Angeklagten ist schon für sich genommen nicht glaubhaft. Die Nebenklägerin ist – wie die Kammer im Rahmen der Hauptverhandlung ohne weiteres feststellen konnte – deutlich kleiner als der Angeklagte, der zudem von eher kräftiger Statur ist. Schon dies lässt es als ausgeschlossen erscheinen, dass die Nebenklägerin den Angeklagten erfolgreich in den Schwitzkasten nahm. Zudem wäre bei einem solchen Tatablauf mit erheblichen Blutanhaftungen an der Kleidung des Angeklagten zu rechnen gewesen. Wie die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder von der Festnahme des Angeklagten jedoch ergeben hat, wies die Kleidung des Angeklagten nur geringe Blutanhaftungen auf. Hinzu kommt, dass diese ergänzende Einlassung des Angeklagten sichtlich von dem Bemühen geprägt war, den Vorwurf auszuräumen, er habe die Geschädigte von hinten angegriffen, offenbar in der irrigen Annahme, bei einem Angriff von vorne läge das Mordmerkmal der Heimtücke nicht vor.

Die Kammer folgt vor diesem Hintergrund der Aussage der Nebenklägerin, die geschildert hat, versucht zu haben den Angeklagten von weiteren Stichen abzuhalten, indem sie seinen Arm versuchte festzuhalten, worauf dieser sie abschüttelte, dabei zu Boden warf, um anschließend der Geschädigten einen letzten Stich in den Hals zu verpassen. Die Aussage der Nebenklägerin ist glaubhaft und in sich stimmig. Sie lässt sich zudem ohne weiteres mit den objektiven Beweismitteln, wie insbesondere den Lichtbildern von der Kleidung des Angeklagten und den Tatortfotos in Übereinstimmung bringen.

Die Feststellung, dass sich die Geschädigte zum Zeitpunkt der Tat keines Angriffs auf ihr Leben versah und daher wehrlos war, beruht auf einer Würdigung der objektiven Umstände der Tat, wie sie sich aus der Einlassung des Angeklagten und den Aussagen der Zeugen und Nebenkläger ergeben. Wie der Angeklagte selbst in seiner Einlassung dargelegt hat, war das Verhältnis zwischen ihm und der Geschädigten stets gut gewesen. Drohungen gegen ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit hatte es nicht gegeben. Die Geschädigte hatte daher trotz des Streits zwischen dem Angeklagten und ihrer Mutter, der Nebenklägerin, zum Tatzeitpunkt keinerlei Veranlassung anzunehmen, der Angeklagte trachte ihr nach dem Leben. Hinzu kommt, dass der Angeklagte nach seiner Einlassung das Messer hinter seinem Rücken versteckte, als er auf das kleine Gewächshaus zutrat, indem sich die Geschädigte zum Tatzeitpunkt befand. Die Geschädigte hatte daher keine Möglichkeit zu erkennen, was der Angeklagte vorhatte, bevor es zu spät war.

Die auf ihrer Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit der Geschädigten folgt zum einen aus dem Überraschungsmoment, zum anderen aus der Tatörtlichkeit. Wie der Zeuge bekundet hat und durch Inaugenscheinnahme der Tatortfotos bestätigt werden konnte, verfügte das kleine Gewächshaus, in dem sich die Geschädigte zum Tatzeitpunkt befand, über keinen zweiten Ausgang. Die dem Angeklagten körperlich unterlegene Geschädigte hatte daher keine Möglichkeit, dem Angriff zu entfliehen.

Dass der Angeklagte in dem Bewusstsein handelt, die auf ihrer Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit der Geschädigten auszunutzen, folgt aus dem Vorgehen des Angeklagten. Wie dieser selbst im Rahmen seiner Einlassung angegeben hat, versteckte er das Messer hinter seinem Rücken, als er an das Gewächshaus herantrat. Dieses Verhalten kann nur so verstanden werden, dass er die Geschädigte bewusst bis zum Schluss über seine Absichten im Unklaren lassen wollte.

Die Feststellungen zu den Verletzungen der Geschädigten beruhen auf den Angaben der rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr., welche im Rahmen ihres mündlich erteilten Gutachtens die von ihr im Rahmen der durchgeführten Obduktion festgestellten Verletzungen wie festgestellt geschildert hat. Anlass an der Richtigkeit dieser Feststellungen der Sachverständigen zu zweifeln, besteht nicht.

Soweit die Kammer festgestellt hat, dass der Angeklagt auf die Geschädigte mit erheblicher Wucht eingestochen hat, beruht auch diese Feststellung auf dem mündlich erstatteten Sachverständigengutachten von Frau Dr. Diese hat nachvollziehbar angegeben, dass die beiden Stiche in den Rücken mit erheblicher Wucht durchgeführt worden sein müssen, weil beide zur Durchtrennung von Rippen führten.

Auch die Feststellungen, dass die beiden Stiche in den Rücken und der Stich in den Hals jeweils für sich genommen tödlich waren und dass die Geschädigte innerhalb von kurzer Zeit durch inneres und äußeres Verbluten verstarb, beruhen auf den sachverständigen Ausführungen der Sachverständigen Frau Dr.. Die der Kammer aus früheren Verfahren als sehr kompetent bekannte Sachverständige hat im Rahmen ihres Gutachtens nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei dargelegt, dass die Stiche in den Rücken jeweils zum Kollaps der betroffenen Lungenflügel führten und dass der Stich in den Hals aufgrund der eröffneten Halsschlagader zu einem schnellen Verbluten innerhalb weniger Sekunden führte. Dem schließt sich die Kammer aufgrund eigener kritischer Würdigung an.

Die Feststellung, dass der Stich in den Hals der Geschädigten der letzte Stich war, beruht auf der Aussage der Nebenklägerin, die glaubhaft geschildert hat, dass der Angeklagte einen solchen Stich in ihrem Beisein durchgeführt hat, nachdem sie erfolglos versucht hatte, ihn von weiteren Gewalthandlungen gegen ihre Tochter abzuhalten.

Wie sich der Angeklagte nach der Tat gegenüber der Nebenklägerin verhielt, hat die Kammer auf Grundlage der Einlassung des Angeklagten und der Zeugenaussage der Nebenklägerin festgestellt. Die Nebenklägerin hat diesbezüglich bekundet, der Angeklagte sei nach der Tat zu ihr gekommen und habe zu ihr auf Russisch sinngemäß gesagt, er werde ihr nichts tun, sie habe jetzt kein Leben mehr. Er werde sie jetzt jede Nacht in ihren Träumen besuchen.

Die Feststellungen zum Verhalten der Zeugin und zur Begegnung der Zeugin mit dem Angeklagten nach der Tat beruhen auf der Vernehmung der Zeugin, welche die festgestellten Umstände glaubhaft bekundet hat.

3. Nachtatgeschehen

Die Feststellungen zu den Rettungsbemühungen von Rettungsdienst und Notarzt bzw. zur Feststellung des Todes durch den Notarzt beruhen auf der Vernehmung der Zeugen, sowie auf der Verlesung der Vermerks des Zeugen vom 29.06.2019. Die Polizeibeamten gehörten zu den vor Ort auf den Notruf der Zeugin hin eingesetzten Polizeibeamten und schilderten die Rettungsbemühungen wie festgestellt.

Dass der Angeklagte sich unmittelbar nach der Tat auf der Polizeiwache stellte, konnte die Kammer feststellen aufgrund der entsprechenden Einlassung des Angeklagten und der Aussage des Zeugen PK. Der Zeuge hat die Umstände der Festnahme glaubhaft wie festgestellt geschildert.

Die Feststellungen zur Alkoholisierung des Angeklagten beruhen auf der Verlesung des Vermerks des Zeugen PK O vom 29.06.2019, in dem dieser die Durchführung und das Ergebnis des Atemalkoholtests festgehalten hat. Die Feststellungen zur Blutalkoholkonzentration beruhen auf dem mündlich erteilten Gutachten der sachverständigen Rechtsmedizinerin Dr., welche im Rahmen ihres Gutachtens von der durchgeführten Blutalkoholmessung berichtete und den für 14:22 Uhr ermittelten Wert für die Kammer nachvollziehbar auf die Tatzeit zurückrechnete. Hierbei ging sie entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung von einem stündlichen Abbau von 0,2 Promille und einem einmaligen Sicherheitszuschlag von weiteren 0,2 Promille aus.

4. Tatfolgen

Die Feststellungen zu den Tatfolgen beruhen auf der Vernehmung der Nebenklägerin und des Nebenklägers, welche die sie betreffenden Tatfolgen glaubhaft wie festgestellt geschildert haben.

Die Aussage zu den Tatfolgen für die Nebenklägerin wird zudem gestützt und ergänzt durch die Zeugenaussage ihres Sohnes, der im Rahmen seiner Aussage angegeben hat, dass er seit der Tat bei seiner  Mutter wohne. Diese könne nicht mehr alleine leben und sei seelisch zerstört.

D. Rechtliche Würdigung

I.

Der Angeklagte hat sich durch die Tat wegen Mordes gemäß § 211 StGB strafbar gemacht, denn er hat die Geschädigte vorsätzlich getötet und hierbei heimtückisch gehandelt.

Heimtückisch im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB handelt, wer eine zur Tatzeit beim Opfer bestehende Arg- und Wehrlosigkeit bewusst zur Tat ausnutzt (vgl. BGH NJW 2016, 2899). Dies war, wie festgestellt, hier der Fall, denn die Geschädigte versah sich zum Zeitpunkt des Angriffs des Angeklagten keiner Gefahr für ihr Leben und war daher wehr- und arglos. Insbesondere konnte sie das Messer des Angeklagten bis zum Beginn des Angriffs auf ihr Leben nicht sehen, denn der Angeklagte hielt es bewusst hinter seinem Rücken verborgen. Auch durch Flucht konnte sich die Geschädigte dem Angriff des Angeklagten nicht entziehen, denn dieser griff sie in einem engen Gewächshaus an und versperrte allein schon durch seine körperliche Präsenz den Fluchtweg durch den einzigen Ein- und Ausgang.

Soweit der Angeklagte in seiner ergänzenden Einlassung Wert darauf gelegt hat, dass die Geschädigte ihn vor dem Angriff bemerkt habe, ihn angeschrien habe und er sie von vorne angegriffen habe, ist dies für die rechtliche Wertung als heimtückische Tötung ohneBelang. Heimtücke setzt einen Angriff von hinten nicht voraus. Erforderlich ist vielmehr allein das Ausnutzen einer auf Arglosigkeit beruhenden Wehrlosigkeit. Dies ist auch gegeben, wenn der Täter dem Opfer –  wie hier – seine Tötungsabsicht bewusst verbergend in einer räumlichen Situation entgegentritt, die eine Flucht ausschließt und dann diese Situation und den Überraschungseffekt zur Tötung ausnutzt.

Das weitere Mordmerkmal der sonstigen niederen Beweggründe im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wie es die Staatsanwaltschaft in der Anklage noch angenommen hat, hat die Kammer hingegen nicht feststellen können. Hierbei kennzeichnet der Begriff der sonstigen niederen Beweggründe solche Motivationen der vorsätzlichen Tötung, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung dieser Voraussetzung erfordert grundsätzlich eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (vgl. BGH NStZ-RR 2015, 308 (309) m.w.N.). Eine Verurteilung wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen setzt dabei voraus, dass ein als niedrig anzusehender Beweggrund zweifelsfrei positiv festgestellt wird. Kann das Gericht insoweit zu keiner eindeutigen Festlegung gelangen, weil es keinen von mehreren nach dem Beweisergebnis in Betracht kommenden Beweggründen ausschließen kann, so ist eine Verurteilung nur dann möglich, wenn jeder dieser Beweggründe als niedrig anzusehen ist (vgl. BGH NStZ 2006, 166).

Gemessen hieran ist eine rechtliche Würdigung des Tatgeschehens als Tötung aus sonstigen niederen Beweggründen nicht möglich. Es spricht einiges dafür, dass der Angeklagte auch in der Absicht handelte, seine frühere Lebensgefährtin, die Nebenklägerin, psychisch zu verletzen,indem er ihre Tochter tötete. Die Kammer kann aber nicht ausschließen, dass für den Angeklagten ebenso oder sogar in größerem Maße seine Verärgerung über deren Verhalten im Rahmen des Kaufs des Hauses und des Streites über eine finanzielle Entschädigung des Angeklagten handlungsleitend war. Letztere Motivation würde zwar die vorgenommene Tötung in keiner Weise rechtfertigen. Eine entsprechende Motivation stünde aber sittlich nicht auf tiefster Stufe. Sie wäre vielmehr entschieden zu missbilligen, wie andere Tötungen auch.

II.

Der Angeklagte handelte ferner auch rechtswidrig und schuldhaft.

Insbesondere war der Angeklagte bei Begehung der Taten uneingeschränkt schuldfähig, da bei bestehender Einsichtsfähigkeit die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten weder aufgehoben noch erheblich vermindert war.

Insoweit hat sich die Kammer des sachverständigen Rates des forensisch erfahrenen Psychiaters versichert. Der Sachverständige, der sein Gutachten auf die Exploration des Angeklagten, das Studium der Akten und auf das Ergebnis der Hauptverhandlung gestützt hat, ist zu dem Schluss gelangt, dass de- oder gar exkulpierende Umstände im Sinne der §§ 20, 21 StGB bei dem Angeklagten zur Tatzeit nicht vorgelegen haben.

1.

Das Vorliegen des ersten Eingangsmerkmals der §§ 20, 21 StGB, der krankhaften seelischen Störung, kann die Kammer beim Angeklagten nach eigener kritischer Würdigung des nachvollziehbaren Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen sicher ausschließen.

a)

Insoweit hat der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt, dass Anhaltspunkte für eine chronifizierte psychiatrische Erkrankung bei dem Angeklagten weder vor noch nach der Tat vorgelegen hätten. Weder in der Exploration noch in der ausführlichen biografischen Anamnese hätten sich Hinweise auf wahnhaftes Erleben ergeben. Soweit der Angeklagte am ersten Tag der Hauptverhandlung geäußert habe, er vermute in der JVA vergiftet zu werden, sei dies als Bewältigungsmechanismus hinsichtlich der eigenen Tatbegehung und der daraus resultierenden Inhaftierung zu werten. Die Qualität eines wahnhaften Erlebens im Sinne einer psychischen Erkrankung erreiche es nicht. Früher habe man derartiges als „Paranoia“ bezeichnet und es gehe mehr in Richtung einer Verschwörungstheorie als Strategie zum Umgang mit der komplexen Realität. Die Qualität einer für die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblichen psychiatrischen Störung erreichten die Überlegungen des Angeklagten nicht. Erst Recht spreche nichts dafür, dass derartige Verfolgungsideen bei dem Angeklagten bereits zur Tatzeit vorgelegen hätten. Dieses folge bereits daraus, dass der Angeklagte angegeben habe, er sei als gesunder Mensch in die Justizvollzugsanstalt eingeliefert und erst dort vergiftet worden.

b)

Ferner hat der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt, dass eine krankhafte seelische Störung auch nicht in Form einer die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit beeinträchtigenden Intoxikation vorlag. Die von der rechtsmedizinischen Sachverständigen zutreffend zurückgerechnete Blutalkoholkonzentration habe lediglich rund 1 ‰ betragen. Eine solche Blutalkoholkonzentration führe bei einem Menschen, der Alkohol regelmäßig konsumiere, nicht zu einer Beeinträchtigung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit. Auch die weiteren Tatumstände würden keine Anhaltspunkte für eine solche Beeinträchtigung liefern. So habe der Angeklagte im Tatgeschehen keine Veränderung der motorischen Fähigkeiten gezeigt. Auch die Fähigkeit, rational zu handeln sei nach dem festzustellenden Tatgeschehen erhalten geblieben. Der Angeklagte habe ein mehrstufiges Geschehen in sich folgerichtig durchschritten. Auch sein Nachtatverhalten habe keine Auffälligkeiten gezeigt, welche auf eine erhebliche alkoholbedingte Beeinträchtigung von Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit schließen lasse.

2.

Auch das Vorliegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne des zweiten Eingangsmerkmals der §§ 20, 21 StGB hat der Sachverständige Dr. nachvollziehbar verneint.

Insbesondere seien die Kriterien für die Annahme eines affektiven Durchbruchs nicht erfüllt. Einem solchen Durchbruch sei in aller Regel eine Intimbeziehung vorgelagert. Außerdem sei der klassische Affekttäter eine besonders ruhige Person, die Aggressionen typischerweise unterdrücke, so dass sich diese anstauen und sich dann im rechtwinklig verlaufenden Affekt entladen würden. Ebenso rechtwinklig falle der Affekttäter nach der Tat in aller Regel zurück in sein übliches Persönlichkeitsmuster und zeige dann eine erheblich emotionale Erschütterung über die Tat. Dies zeige sich typischerweise in einer großen emotionalen Krise und Verzweiflungsakten im Anschluss an die Tat, wie vergeblichen Rettungsbemühungen und ähnlichem.

Gemessen hieran könne von einem die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigenden affektiven Durchbruch nicht gesprochen werden. Weder sei eine Intimbeziehung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten zu verzeichnen, noch eine andauernde, durch wiederholtes Zurückstecken des Angeklagten geprägte enge Beziehung beider. Auch fehle es an einer plötzlichen, rechtwinklig zum normalen Verhalten verlaufenden aggressiven Entladung.

Der vom Angeklagten genannte Grund für seine Aggression gegenüber der Geschädigten lag vielmehr, unabhängig von welcher Motivation man ausgehe, schon längere Zeit zurück. Am Tattag selber habe es keine Interaktion der Geschädigten mit dem Angeklagten gegeben. Zudem sei das mehraktige Tatgeschehen durch den Angeklagten durchgehend und in sich folgerichtig gesteuert worden. Die Tat habe sich nicht raptusartig ereignet, der Angeklagte habe sich vielmehr bewusst zu dieser entschieden, das Messer an sich genommen, sei dann rund 20-30 Meter zum kleinen Gewächshaus gelaufen und sei der Geschädigten dann erst aggressiv entgegen getreten.

Ein solches Tatverhalten sei mit der Annahme eines die Steuerungsfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB erheblich beeinträchtigenden affektiven Durchbruchs nicht vereinbar.

3.

Auch für das dritte Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 StGB einer erheblichem Intelligenzminderung (im  Gesetz veraltet als „Schwachsinn“ bezeichnet), gäbe es, so der Sachverständige, keine Anhaltspunkte. Der Angeklagte verfüge vielmehr über eine Intelligenz im Normbereich.

4.

Schließlich liege, so die Ausführungen des Sachverständigen Dr., beim Angeklagten auch keine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung im Sinne einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ gemäß dem vierten Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 StGB vor. Bei dem Angeklagten sei weder eine Abhängigkeitserkrankung noch eine andere Form einer Persönlichkeitsstörung erkennbar. Der Angeklagte zeige zwar eine reduzierte Fähigkeit, die Sichtweise anderer Menschen einzunehmen. Dies stelle jedoch allenfalls eine Persönlichkeitsakzentuierung dar. Ein Krankheitswert komme dem nicht zu.

5.

Den Ausführungen des Sachverständigen Dr., welcher der Kammer aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit als äußerst erfahrener und gewissenhafter Sachverständiger bekannt ist, schließt sich die Kammer aufgrund eigener kritischer Wertung an. Die Ausführungen des Sachverständigen sind für die Kammer gut nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei.

Insbesondere teilt die Kammer die Wertung des Sachverständigen, dass die Annahme einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung in Form eines affektiven Durchbruchs im vorliegenden Fall ausscheidet. Der Angeklagte war bei Tatbegehung zwar sicherlich – wie nahezu jeder, der ein Tötungsdelikt begeht – affektiv belastet. Ausweislich seines zwar spontanen, in der Ausführung aber ruhigen und planvollen Vorgehens ist auszuschließen, dass er unter einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung litt.

E. Strafzumessung

I.

Gemäß § 211 Abs. 1 StGB ist im Falle der Begehung eines Mordes auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen. Dementsprechend hat die Kammer auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. Außergewöhnliche schuldmindernde Umstände, welche die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe als unverhältnismäßig erscheinen ließen, so dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Möglichkeit der Milderung des Strafrahmens nach § 49 Abs. 1 StGB eröffnet wäre (vgl. BGH NStZ 1995, 231), vermag die Kammer nicht zu erkennen.

II.

Eine besonders schwere Schuld im Sinne der §§ 57 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 57 b StGB hat der Angeklagte hingegen nicht auf sich geladen. Eine besondere Schwere der Schuld ist gegeben, wenn Umstände von besonderem Gewicht vorliegen, aufgrund derer das Tatbild so stark von den erfahrungsgemäß vorkommenden Mordfällen abweicht, dass die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach 15 Jahren auch bei dann günstiger Prognose unangemessen wäre (Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 57a Rn. 9). Schuldsteigernde Umstände sind zum Beispiel die Art der Tatausführung oder der Motive, besondere Begleitumstände der Tat, soweit diese dem Täter vorzuwerfen sind, schulderhöhendes Nachtatverhalten, das Vorliegen einer Mehrheit von Mordmerkmalen sowie insbesondere auch die Ermordung mehrerer Menschen durch eine Tat (Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 57a Rn. 11a).

Derartige Umstände liegen hier nicht vor. Insbesondere hat der Angeklagte hier eine Person getötet und ein Mordmerkmal verwirklicht, wie es bei jedem Mord der Fall ist. Andere Tatumstände, welche das Unrecht der Tat über das ganz erhebliche Unrecht, das mit jedem Mord verbunden ist, steigern würden, sind nicht festzustellen.

F. Adhäsionsentscheidung

I.

1.

Der Nebenklägerin steht der mit dem Adhäsionsantrag zu 1) geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch dem Grunde nach zu. Dieser folgt jedenfalls aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB.

Nach den Feststellungen der Kammer hat der Angeklagte die Nebenklägerin an ihrer Gesundheit geschädigt, indem er vor ihren Augen die Geschädigte tötete. Ein derartiger Schockschaden durch die Tötung eines nahen Angehörigen begründet einen Anspruch auf „billige Entschädigung in Geld“ im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB für den erlittenen immateriellen Schaden.

Die Kammer hat jedoch gemäß § 406 Abs. 1 Satz 2 -6 StPO von einer Entscheidung über die Höhe des der Nebenklägerin zustehenden Schmerzensgeldes abgesehen, da eine solche Entscheidung das Verfahren erheblich verzögert hätte. Hierzu hätte – aufgrund der späten Antragsstellung – die Nebenklägerin erneut zu den Tatfolgen vernommen werden müssen. Zudem hätte die Kammer sachverständiger Beratung hinsichtlich der Bewertung der Lebensbeeinträchtigung und Heilungsaussichten der Nebenklägerin bedurft. Dies wäre – ohne Vertagung und Ansetzung von weiteren Hauptverhandlungstagen – nicht zu leisten gewesen.

2.

Der Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB i.V.m. § 404 Abs. 2 StPO.

II.

Der Nebenklägerin steht ferner auch der mit dem Adhäsionsantrag zu 2) geltend gemachte Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht des Angeklagten für zukünftige materielle und immaterielle Schäden zu, die aus der Tat vom 29.06.2019 resultieren, soweit solche Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.

Die Zulässigkeit eines solchen Feststellungsantrages folgt aus § 256 StGB. Ein entsprechendes, feststellungsfähiges Rechtsverhältnis besteht, da der Angeklagte der Nebenklägerin A gemäß §§ 823 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB zum Ersatz aller immateriellen und materiellen Schäden aus der Tat verpflichtet ist. Zudem besteht ein entsprechendes Feststellungsbedürfnis, da mit der zukünftigen Entstehung weiterer Schadensposten, z.B. in Form von Heilbehandlungskosten, mit hinreichender Sicherheit zu rechnen ist.

III.

Die Kammer hat gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO davon abgesehen, über den Adhäsionsantrag zu 3) zu entscheiden, da dieser der Kammer unbegründet erscheint.

Der geltend gemachte Anspruch auf Hinterbliebenengeld gemäß § 844 Abs. 3 Satz 1 BGB besteht nach Auffassung der Kammer nur dann, wenn dem jeweiligen Antragssteller kein vorrangiger Anspruch auf Schmerzensgeld für den erlittenen immateriellen Schaden, etwa wie hier gemäß §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 StGB zusteht. Liegt ein solcher primärer Schadensersatzanspruch aufgrund eines erlittenen Schockschadens hingegen vor, geht dieser dem Hinterbliebenengeld vor bzw. das Hinterbliebenengeld geht in diesen Schmerzensgeldanspruch auf (vgl. Begründung Regierungsentwurf zum Hinterbliebenengeld G, BR-Drs. 127/17, S. 10 f.; BeckOK BGB/Spindler, 52. Edition, § 844 Rn. 44 m.w.N.)

IV.

Auf den Adhäsionsantrag zu 4) war schließlich festzustellen, dass die mit den Adhäsionsanträgen zu 1) und 2) geltend gemachten Ansprüche aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Angeklagten resultieren. Das für eine solchen Feststellungsantrag gemäß § 256 ZPO notwendige rechtliche Interesse folgt aus § 850f Abs. 2 ZPO.

Soweit die Nebenklägerin mit dem Adhäsionsantrag zu 4) auch eine derartige Feststellung im Hinblick auf den Adhäsionsantrag zu 3) begehrt hat, hat die Kammer wiederum gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO von einer Entscheidung abgesehen, da der Antrag insoweit als unbegründet erscheint.

G. Kosten

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464, 465 Abs. 1 Satz 1, 472 Abs. 1 Satz 1 StPO, die Entscheidung über die Kosten des Adhäsionsverfahren auf § 472a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SPO.

Die Kammer hat in Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens die Kosten des Adhäsionsverfahrens auch insoweit dem Angeklagten auferlegt, als sie von einer Entscheidung über die gestellten Adhäsionsanträge abgesehen hat. Dies entspricht der Billigkeit, denn auch der mit dem Adhäsionsantrag zu 3) geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz für den immateriellen Schaden, der im Verlust eines nahen Angehörigen besteht, steht der Nebenklägerin wirtschaftlich zu. Er ist lediglich im Rahmen des normalen Schmerzensgeldanspruchs geltend zu machen. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt es dieser eher formale Mangel der Antragsstellung es nicht, der Nebenklägerin einen Teil der Kosten aufzuerlegen, zumal es sich bei § 844 Abs. 3 BGB um eine gesetzliche Neuregelung handelt, deren Anwendungsbereich in Abgrenzung zu konkurrierenden Ansprüchen noch nicht abschließend obergerichtlich geklärt ist.


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