Der Tod per se löst keinen Schmerzensgeldanspruch des Getöteten aus, der auf die Erben übergehen könnte

02.10.2018 - Oberlandesgericht Oldenburg - Aktenzeichen 5 U 61/18

Oberlandesgericht Oldenburg

Urt. v. 02.10.2018, Az.: 5 U 61/18      

Gehört zu:

LG Oldenburg, 02.03.2018 - 8 O 3369/15


eigene Zusammenfassung:

Das OLG Oldenburg stellt nochmals dar, dass der eigene Tod nicht der bei der Bemessung des Schmerzensgeldes des Verstorbenen zu berücksichtigen ist. Der Ehemann der aufgrund eines angeblichen Behandlungsfehlers verstorbenen Frau verlangt eine Schadensersatzzahlung. Er trägt nichts vor, was eine Zahlung nach den Grundsätzen des "Schockschadens" rechtfertigen würde. Auch ererbte Schmerzensgeldansprüche der verstorbenen Ehefrau stehen ihm nicht zu, da der Tod per se keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes auslöst. Geht der Tod "sauber und schmerzfrei" von statten, bemerkt der Verstorbene den Tod nicht, da er beispielsweise bewusstlos ist o.ä. entsteht kein Anspruch auf Schmerzensgeld. Weiter entsteht kein Anspruch des Verstorbenen auf Schmerzensgeld, wenn ein Behandlungsfehler zwar zum Tod führt, aber keine zusätzlichen Schmerzen oder Leiden beim Verstorbenen über die Behandlung selbst auslöst.

Davon unabhängig ist der Anspruch der nahen Angehörigen wegen Leid, Kummer und der empfundenen Trauer auf Hinterbliebenengeld nach § 844 II BGB.


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg - Az. 8 O 3369/15 - vom 2. März 2018 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages geleistet haben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt als Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Ehefrau (im Folgenden: die Patientin) Schmerzensgeld von den Beklagten aus Anlass der Behandlung seiner Frau in der Zeit vom 17. September bis zum 10. Oktober 2010 im Krankenhaus der Beklagten zu 1 in der Abteilung des Beklagten zu 2. Die Patientin wurde aus Anlass einer hypertensiven Krise bei der Beklagten zu 1 aufgenommen. Der Blutdruck betrug bei Aufnahme mehr als 200 mmHg. Hinzu kam, dass die Patientin in den letzten Wochen stark abgebaut und erhebliches Gewicht verloren hatte. Es bestand Appetitlosigkeit und Schwäche. Hinzu kamen Kollapszustände, Sprachstörungen. Es erfolgte sodann eine Röntgen-Thoraxuntersuchung sowie eine CT- und MRT-Untersuchung des Kopfes. Weil es in den folgenden Tagen zu einer Verschlechterung der Nierenwerte kam, musste die Patientin ab dem 24. September 2010 der Dialyse unterzogen werden. Bei einer Sonografie des Bauchraumes am 23. September wurden ausgeprägte Plaques in der Bauchaorta festgestellt. Eine Becken-Bein-Angiographie vom 29. September 2010 zeigte dann einen Thrombus in der oberen Bauchaorta von der arteria mesenterica superior bis zum truncus coeliacus mit hochgradigen Stenosen der arteria mesenterica superior und der rechten arteria renalis. Daraufhin wurde die Indikation zur Operation gestellt und am 7. Oktober 2010 durchgeführt, nämlich mit der Einbringung eines Aorto-biiliacalen Interponats mit Reimplantation des Truncus coeliacus, der arteria mesenterica superior und beider Nierenarterien.

Am 9. Oktober kam es dann bei der Patientin zu einer akuten Bauchsymptomatik mit Verdacht auf Ischämie des Darmes. In der Re-Operation am gleichen Tag zeigte sich bei akutem thrombotischen Verschluss der arteria mesenterica superior eine komplette irreversible nicht mehr behandelbare Gangrän des Dünndarmes mit Durchwanderungsperitonitis, an deren Folgen die Patientin am 10. Oktober 2010 verstorben ist.

Das Landgericht hat ein gefäßchirurgisches Gutachten eingeholt und die Klage mit dem in Bezug genommenen Urteil abgewiesen, weil Behandlungsfehler der Ärzte im Hause der Beklagten zu 1 nicht festzustellen seien. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 02.03.18 (Az.: 8 O 3369/15) aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, an ihn 30.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten darauf seit dem 12.10.2011 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.

Mit Beschluss vom 14. Juni 2018 hat der Senat darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 ZPO zurückzuweisen. Zur Begründung ist ausgeführt:

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit der Behauptung, der Sachverständige habe mit der von ihm angeführten Erklärung im ersten Rechtszug sehr wohl zum Ausdruck bringen wollen, dass die Beklagten einen Mangel an Flüssigkeitszufuhr zu verantworten hätten.

Der Senat hat diesen Einwand zu Anlass genommen, von der Zurückweisung durch Beschluss Abstand zu nehmen und hat den Sachverständigen in mündlicher Verhandlung angehört. Auf die Sitzungsniederschrift vom 26.09.2018 (Bl.15 / II d.A.) wird verwiesen.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Der Kläger kann aus Rechts- und aus tatsächlichen Gründen kein Schmerzensgeld beanspruchen.

Ein Schmerzensgeldanspruch scheitert von Rechts wegen bereits daran, dass eine eigenständige Körperverletzung, die von dem Geschehen, das letztlich zum Versterben der Patientin geführt hat, zu trennen wäre, nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich ist. Der Kläger führt die Klage vielmehr mit dem Vorwurf, die Beklagten hätten es versäumt, durch eine frühzeitigere Intervention die Patientin zu retten. Indessen ist nach dem Gesetz vor Inkrafttreten des § 844 Abs.3 BGB ein Schmerzensgeld für den Tod naher Angehöriger -sieht man von dem hier nicht einschlägigen Fall des sog. Schockschadens ab- nicht vorgesehen. Ebenso wenig lässt sich ein entsprechender Schmerzensgeldanspruch als Anspruch der Patientin, der nach § 1922 BGB auf den Kläger übergegangen wäre, begründen, denn anerkanntermaßen ist der (eigene) Tod kein Umstand, der bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen wäre (vgl. nur Hack/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge 2018, S.18 sub f]; vgl. auch Gesetzesbegründung zu § 844 Abs.3 BGB, BT-Drucks. 18/11615 S.1 sub A.). Das Schmerzensgeld dient vielmehr und ausschließlich dazu, eine etwaig erlittene Unbill zu Lebzeiten auszugleichen; § 253 Abs.2 BGB nennt deshalb anders als § 823 Abs.1 BGB- nur Körper und Gesundheit und nicht das Leben als geschütztes Rechtsgut. Deswegen entspricht es auch gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass ein Schmerzensgeldanspruch entfällt, wenn die schadensstiftende Handlung unmittelbar zum Tod des geschädigten führt, ohne dass eine relevante, davon abzugrenzende Körperverletzung festzustellen ist (vgl. nur BGH Urteil vom 12.5.1998 VI ZR 182/97 - Juris Rn.14; OLG Oldenburg VersR 2016, 741, 742).

Da eine solche vom Kläger hier nicht dargelegt ist, scheitert ein Schmerzensgeldanspruch schon daran.

Dessen ungeachtet ist aber auch ein schadensursächlicher Behandlungsfehler nicht festzustellen.

Der Senat verweist insoweit auf seinen Hinweisbeschluss.


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